Logbuch der CROCO, geschrieben von Dr. Ernst Gut

Teil 4,


26.5.-4.6. Marstal- Svendborg- Flensburg

26.5.
Gegen halbzwölf in Marstal weggekommen. Mit BB 10 um die Wette aus der Einfahrt gekreuzt. Erst auf langem Kreuzschlag nach einer halben Stunde langsam überholt worden (...tja, Länge läuft, wieder mal...).
Dann hinaus ins Weite, Kurs 275 Grad, kein Land in Sicht. Kann man sich schon mal verloren vorkommen. Bei Wind 3 von links hinten keck geworden und den Blister gesetzt. Auf die 20 Meilen bestimmt ein oder 2 Stunden gewonnen. Beim Leuchtturm Kalkgrund dann Entscheidung für Nachtquartier Sonderburg, wegen schönem Amwind-Anlieger. Im Hafen: Wieder voll, und alle Schiff so groß!

ZUM VERGRÖSSERN ANKLICKEN

Nudeln mit Tomatensoße, zuviel gekocht, aber leider alles aufgegessen.

Log 27.5.
Die Svendborg-Marina ist eine der großen Sport-Marinas der dänischen Südsee. Alles da:
Großzügige Waschräume, Waschmaschinen, Trockner, Supermarkt, Kneipe, moderne Steganlagen. Aber: Das hört sich nicht nur wie Campingplatz an. Das ist eigentlich ein Campingplatz. Ich übertreibe nicht. Ich kenne Campingplätze. Habe sie am Schluß meiner Paddler- und Camperzeit verabscheut:
Du putzt die Zähne und 1 Meter weiter kackt einer lautstark. Ich war dann vor 7 Jahren glücklich, im Segelsport eine reinere, ruhigere Welt gefunden zu haben. Tja, jetzt ist sie da, die Welle. Reingeschwappt ins Reservat der Glücklichen und derer mit dem besonderen Geschmack. Und ich fürchte, ich bin Teil der Welle. Abteilungsleiter, Direktoren und deren Sprößlinge verhalten sich zwar etwas kultivierter als eine Motorradbande auf dem Camping "Valle Romantica" am Lago Maggiore, wenn sie aber Wand an Wand mit Dir auf dem Topf sind, riechts auch.

ZUM VERGRÖSSERN ANKLICKEN

Beim abendlichen Ablaufen der Stege frage ich mich, was die Leute mit all den riesigen Schiffen wollen und wieviele Menschen so mal 2 Mio für die schönsten Tage des Jahres übrig haben. Und zurück am eigenen Liegeplatz kommt man sich bei allem Besitzerstolz doch ein wenig mickrig vor. Auch wenn das eigene schwimmende Schneckenhaus äußerst gemütlich ist und allen wirklich nötigen Komfort bietet. Aber auf dem Wasser, wie am heutigen prächtigen Sonntag, schauts anders aus. Da glaube ich, nein weiß ich, daß ich den größten Segelspaß von allen habe. Gefordert mit allen Sinnen, mit jedem Handgriff direkt dran am Wind ist das wie Samba gegen Stehblues.
Heute habe ich dem ungebärdigen Krokodil den entscheidenden Zahn gezogen. West 5, aufgeheitert (wie es im Wetterbericht so schön heißt), raus mit dem Untier und- endlich klappt es. Alle Verrichtungen schön vorbereitet, der jungen Bestie keinen Augenblick den Rücken gekehrt, ohne Angst vor der Kraft im Rigg gehts juhuu genan. Aus lauter Freude erst mal in eine streckenmäßig sinnlose Bucht, die ich mir für späteres Ankern merken muß (Campingplatz weit weg und kein Landstrom) und dann auf die Kreuz in die Flensburger Förde. Was ich mir als kleinen Resttörn nach dem Sonntagsfrühstück vorgestellt hatte, wird zur reifen Tagesreise (23 SM) und zum sportlich-genießerischen Höhepunkt. Es turnt, es tobt, es legt sich und es rennt los. Im Rückreiseverkehr bieten sich jede Menge Gelegenheiten für Wettkämpfchen und das Rennfieber ist gleich voll da.

Ganz am Schluß entdecke ich weit voraus ein Folkeboot. Leider reicht die Reststrecke nicht, um ihm den Garaus zu machen, habe zwar ein Rennkrokodil, aber immer noch ein Segelboot. Glücklich erschöpft und im ersten Regen nach 10 Tagen "Probefahrt" in Farensodde in der Flensburger Förde eingelaufen, nur mäßig ungeschickter Anleger (immerhin keine Stegberührung), klar Schiff, Markus kommt, um sein Gepäck zu holen. Tee und Klön unter Deck. Schön, wieder zu ratschen, wenngleich die Zeit allein durchaus auch ihren Reiz hatte. Noch zusammen in Jessens Fischperle, große Seezunge für zwei Personen, dazu der Panoramablick auf Flensburgs Waterfront.
Bemerkenswert: Markus sagt, er genieße das Segeln mit mir so besonders, weil ich so u n k o m p l i z i e r t bin. Wer hätte das gedacht? Andererseits findet er ja auch was an unserer Bordkollerpatientin, was sein Urteil wieder relativiert.
Morgen Besuch im Waschsalon bei den anderen Gestalten vor ihren Trommeln. Ilona schreibt per mail von ihrer Entdeckung in einer Frauenzeitschrift: Titel "Streß laß nach-das Krokodil". Der Text beschreibt eine Entspannungstechnik für Brust- und Rückenmuskulatur mit dem schönen Titel Makarasana. Von "spiraligen Drehbewegungen" ist die Rede. Wenn das nicht zutrifft!

Log 28.5.
Die Versuchung des (fast) heiligen Ernst: Seit heute mache ich eine Badekur. An Segeln ist wegen Sturm nicht zu denken. Und weil die Erkältung und das "Reißen" zwischen den Schulterblättern um meine Aufmerksamkeit eifersüchtig konkurrieren, entscheide ich mich für einen Saunabesuch. 20 Minuten Uferweg Richtung Glücksburg zu Fuß steht, nein thront das "Vitalis-Wellness-Hotel Mejerhof" über der Förde.
Gehobener Landhausstil innen und außen, man muß es mögen.
Und dann die Hof-Therme!
Griechisch, Römisch, Byzantinisch, Keltisch und ein bißchen Tirol. Als da wären der mit Mosaiken gezierte Pool, die gewöhnliche finnische Sauna,das irgendwie orientalisch und wegen der Kuppel byzantinisch anmutende Aroma-Dampf-Bad, das von mir keltisch getaufte Steinbad (nackter, roher Marmor, heiß, in der Ecke eine an Folterkeller und heilige Inqusition erinnernde eiserne Hebelvorrichtung, die in regelmäßigen Abständen unter viel Geächze einen Eisenkübel voll glühend heißer Steine aus einer Art Glutofen hievt und umständlich zitternd in ein Becken mit kaltem Wasser zischend eintauchen lässt). Ach ja, Tirol: Das "Heubad". Sitzende Position, Sitzfläche noch ganz gewöhnliches beheiztes Plastik, die Rückenlehne eine Art Holzrost, hinter dem sauber aufgereiht Streifen frischen Heus hängen, welches wiederum auf Knopfdruck des Heubadenden von heißem Dampf umspült, nein umwölkt wird, und einem zur wohligen Rückenwärme noch echten Heuduft bietet, erinnernd an frühe Kindheit oder das (meist nur phantasierte) "erste Mal" im Heu. Und nun die Versuchung: Im Badebereich außer mir nur Frauen. Alle etwa mein Alter bis bißchen älter, wollen "sich mal was gutes tun" im Wellness Hotel, kucken aber ganz aufmerksam, was denn das nun für ein junger (alles relativ, was?) Gockel ist, der da mit um die Hüften geschlungenem Hotelhandtuch und eingezogenem Bierbauch umherstolziert. Also, wenn ich mal in einschlägiger Not bin, nix wie ins Wellness-Hotel. "A bisserl was geht imma!" hat schon Monaco-Franze gesagt.
Nach dem Bade (ich komme wieder!) Geschäftliches. Marty kommt mit Bootsbauern Reiner Franz und Robi Schmidbauer zur Inspektion des noch nicht restfertigen Bootes. Ganz profesionell und ohne hin und her werden 41 Mängel in den mitgebrachten Laptop gebracht (erinnert mich an den Hausbau meines kleinen Bruders letztes Jahr mit 300 Mängeln...). Wird sicher nicht alles fertig bis zur endgültigen Abreise am Wochenende, aber zumindest alles seefahrerisch Wichtige. Der Rest im Winterlager, so sagt man. Anschließend noch mit Hilfe der Herren Verlegung des Crossodil auf die windabgewandte Seite des Steges. Es bläst mittlerweile bis 8 Beaufort und mit Wind und Welle volle Breite aufs Heck war schon die letzte Nacht ziemlich unruhig. Oder lags am Tee, den ich ausnahmsweise dem Flens vorgezogen habe?
War mit Marty, Roby und Martys Freundin Tina noch essen im Dänischen Klub. Fischcurry mit Reis, vorher und nachher Flens und dann die scheinbar unabdingbaren und mir auch langsam sympathischen Schnäpse. Wo soll das hinführen? Aber: Wozu ist der Leber da wenn nicht su abaiten, he?

Log 1.6.
Den ganzen Tag am Wasser verbracht: Am Steg, im Hafen, die vorletzten und letzten Arbeiten "unterstützend begleiten". Als da wären Moosgummi in Backskisten- und Ankerkastendeckel, Umfassung Teak im Cockpit mit schwarzem Fugenkleber, Toplaterne setzen, Windex nachmontieren, Rigg nachspannen usw. Nach getaner Arbeit (jetzt fehlt nur noch die Klemme für das Spifall sowie Schönheitssachen, die im Winter gemacht werden sollen) wird wieder mal gefeiert: Reiner Franz, Marty Müller und meinerseits gehen "etwas essen", bei "Rene". Echt irre: Rene führt Traditionslokal am Fördeufer. Ist ein eigentlich fescher Kerl mit gewisser verkommen-dekadenter Note. Bin ganz überrascht, daß er von "seiner Frau" erzählt, so sehr hätten Kleidung (schwarze Nappajeans) und Ausdruck zum Schwulsein gepaßt. Marty steckt mir nachher, Rene sei eigentlich "bi, und zwar bekennend", auch recht.
Marty und Konsorten haben hier wie in eigentlich allen Lokalen, in denen ich bisher mit ihnen war, einen unheimlich guten Stand. Begrüßung von den Nebentischen und vom Wirt mit großem Hallo. Zur Essensbestellung wird der Koch extra an den Tisch zitiert, um uns die Spezialitäten des Tages anzubieten. Koch hatte anscheinend etwas gut zu machen bei Marty und Co.: Bei einem der letzten Besuche habe Robi eine Portion Sauerfleisch"mit Gurkenfächer" bestellt. Nun scheint jedes Kind zu wissen, daß ein Gurkenfächer zumindest in Verbindung mit Sauerfleisch eine fächerförmig aufgeschnittene Gewürzgurke zu sein hat.
Der arme Tropf von engagiert wirkendem jungem Koch schneidet Scheiben von der Salatgurke. "Was ist das für ein Gurkenfächer?" schreit Robi den servierenden Wirt an. "Was ist das für ein Gurkenfächer?" brüllt dieser die Treppe zur Küche im ersten Stock hoch, von wo außer dem "richtigen" Gurkenfächer keine Reaktion mehr kommt. Nun, heute soll die Scharte ausgewetzt werden: Kapitänsteller, Spargel, Schnitzel, Bratkartoffeln, alles gut und reichlich. Davor, dazu und danach Bier, in rauhen Mengen. Wenn Marty nicht selber schnell genug ist, bietet uns der Wirt in seiner leicht exaltierten, aber amüsanten Art die neue Runde an. Und etwa bei Halbzeit des Essens wird der erste "Linie" zur Unterstützung der Verdauung nötig. Und dabei bleibts nicht: Mal wirft der Wirt eine Runde aufs Haus, mal wird von uns einer geordert mit einem für den Wirt, den letzterer auch immer brav schluckt. Es wird spät und später, die Gespräche drehen sich im wesentlichen um Schiffsbau und die Cross-Werft Und die Zeit bei der Bundeswehr ("...der Lehmann, das war ein Kamerad, aber gefährlich, wenn man ihm dumm kam...") und wir werden betrunkener. Noch eine und noch eine letzte Runde zuletzt nur noch kleiner Biere und normal großer Schnäpse werden geordert. Im Taxi zeigt dann das Display im Rückspiegel (noch nie gesehen) 20 vor zwei an. In Fahrensodde werde ich abgesetzt und verabschiede mich von Marty ganz stimmig mit einer betrunken- freundschaftlichen Umarmung. Ich war ein "guter Kunde" und Marty und seine Gang waren angenehme, bei aller eingebauten Schlurigkeit doch bemühte, sympathische Geschäftspartner, die ihre Arbeit letztlich gut und zur Zufriedenheit erledigten.

Nach längerem Schlaf bin ich lediglich gering geschwächt und benommen, habe nicht den erwarteten Kater , der Stoff, der hier in so rauhen Mengen konsumiert wird, ist gut und verträglich.

Log 1.6.

ZUM VERGRÖSSERN ANKLICKEN

Ilona ist gut angekommen. Gleich Licht und Wärme im Schiff. Begrüßungsessen Fisch und Reis und Freixenet. Gute Nacht.
Am Pfingstsonntag: West 4-6, Schauerböen. Probetörn in der Förde. Ilona lernt schnell an der Pinne. Schon bald bin ich frei für Vorschiffsarbeit usw.. Rein in die Stadt, mit Halbwind wieder raus bis Glücksburg. Dort zunehmender Wind: Erst Reff 1, dann 2, jetzt wäre die projektierte Genua 4 gut, haben wir aber nicht. Zur Übung die Sturmfock angeschlagen. Wie schon einmal mit Markus: Entspanntes Cruisen gegenan auch bei 6 Beaufort. Ich erzähle und doziere und werde schon mal hart im (Kommando-)Ton. Ilona bleibt kooperativ und lernwillig (ich weiß: 5 Mark in die Machokasse). Schon heute bin ich überzeugt. Sie ist die Frau, mit der ich auch um die Welt segeln könnte.
Zur Übernachtung wählen wir wegen der besseren Ausgehmöglichkeiten den Staddthafen in der Innenförde. Es pißt, es ist grau.

ZUM VERGRÖSSERN ANKLICKEN

Schrecksekunde bei Aufräumen:
Wasser in Stauraum Steuerbordkoje. Woher? Schmeckt bisserl salzig. Keine Spuren, alles andere trocken. Vielleicht Rest von Kühlwasserwechsel? Mechaniker hatte berichtet, er habe alles in die Bilge laufen lassen mangels geeigneter Ablaufmöglichkeit. Hoffen wirs! Technik: Windex fällt bald wieder ab. Diesmal ganz. Gottseidank, da die kuriosen Fehlstellungen der total mobilen Windfahnen einen ganz konfus machen können.
Wunder: Ilona probiert (bei Rene) einen Schluck vom Flensburger. Und: Es scheint zu schmecken. Sag ich doch: Guter Stoff!

Der Mai geht zu Ende. War ein wunderschöner Monat in der Gegend und dem Milieu das ich liebe, voll Lebenslust, Freude am Leben, am Entstehen des Schiffes, an den neuen Kontakten und schließlich am Segeln mit dem Krokodil. Das "neue" Segeln ist derartig viel schöner, weil dynamischer als mit meinem alten Klassiker, daß ich schon deshalb die Neuorientierung keine Sekunde bereut habe. Eine spürbare (und notwendige) Verbesserung hat sich auch bezüglich des Lebens und Wohnens an Bord ergeben. Es ist jetzt alles so eingerichtet, wie das für mehr als ein Wochenende auf dem Wasser sein sollte. Eine zum Cockpit abgeschlossene Kajüte, eine bequeme, breite, durchs Oberlicht morgens helle Vorschiffskoje, Leseleuchten für die Zeit vor dem Einschlafen, reichlich Licht im Salon und über der Pantry, eine Pantry, die diesen Namen verdient mit funktionierendem, nicht rußendem, zweiflammigem Gaskocher, einer Spüle mit Frischwasservorrat an Bord, reichlich trockenem Stauraum, einer gut funktionierenden Einbaumaschine, Navigationslichtern und modernen Beschlägen für die Segelführung. Die Möglichkeit, zu reffen und verschiedene, den Windverhältnissen angemessene Vorsegel zu setzen. Einem Ankerkasten, der einem das bisherige, umständliche Schleppen des Ankers vom Cockpit zum Bug erspart, eine Seereling, die die Sicherheit an Deck wesentlich erhöht. Und dann: Innen keine Sekunde das Naturholz vermißt, kein "Joghurtbecherfeeling". Immerhin ist der gesamte Innenausbau aus Holz und die zahlreichen kleinen Unregelmäßigkeiten an Kanten und Umleimern stören nicht, sondern belegen die Handwerksarbeit und Einzelfertigung (sagt der Eigner gern beschönigend...). Der Kontakt und die Kooperation zu den "Jungs" sind gut. Auch wenn nicht immer alles schon gestern fertig ist. Es wird fertig, in the end.

Morgen, Pfingstmontag, soll die große Reise endlich losgehen. Das Schiff ist fertig, Käptn und Mannschaft haben das Schiff auf dem zehntägigen Probetörn durch die "Dänische Südsee" kennengelernt. Nichts wie los!

Ende Teil 4, die Fortsetzung, Teil 5




nach oben zum Seitenanfang

zurück zur Touring-Seite

zurück zur Startseite