Logbuch der CROCO, geschrieben von Dr. Ernst Gut

Teil 16,


Log 11.8.

Crewwechsel. Hafentag in Vänersborg. Peter muss um 8:23 den Zug nach Stockholm kriegen, also müssen wir unüblich früh raus. Halb sieben und es geht, wenn man will, oder muss.

Zurück am Schiff wird aus ein paar kleinen Putzereien das, was zu erwarten war, ein großes Klar-Schiff. Die Wasser-"Slang" (schwedisch für "Schlauch")hier am Außensteg hat das Kaliber und die Potenz eines Feuerwehrschlauchs und entsprechend ausschweifend fällt die Abspritzorgie an Deck aus. Das Deck selber dankt mir die Aktion denn auch mit einem wunderbaren Lichtgrau, wie es mir in dieser Schönheit seit der Übernahme in Flensburg nicht vergönnt war.

Die Haushaltsleiter, die ich nach dem Stegunfall in Oskarshamn im ICA-Supermarkt gekauft hatte und die sich-außer, dass sie monströs unseemännisch wirkt- schon mehrfach selbst als Unfallgefährdung gezeigt hat, wird verschenkt. Sie geht an die Kioskbesitzerin, die den Gästehafen verwaltet. Gute Taten sind nur dann wirklich gut, wenn sie selbstlos und ohne Erwartung einer Gegenleistung erfolgen. So geschieht es mir (recht). Kaum hat sich die also Beschenkte überschwänglich bedankt, berechnet sie mir minutiös und auf die Öre genau die Gebühr für je 2x Waschmaschine, 2x Trockner, macht 4x20 Kr., ach ja, Strom hat der Herr ja auch noch, noch mal 30, danke. Ich zahle, bedanke mich höflich und denke an Gottes Lohn.

Der auf See umherziehende Seemann ist der sesshafteste Mensch der Welt, jedenfalls, was die Anhänglichkeit zu seinem schwimmenden Heim angeht. Ich gehe kaum spazieren, mache auch keine Elchsafari, wie vom Vänersborger Tourist Council angeboten, verlasse mein Heim nur zu den notwendigen Gängen und verbringe einen Tag voller Wohlbehagen an Bord mit Schreiben, Lesen, Pfannkuchen backen, Tee, ein wenig rauchen, Siesta. Augenblicke reinsten Glücks.

Abendspaziergang: Wieder dieses unvergleichliche Licht. Sonne, Wind, Fels, Wasser, Schilf, Gras, meine Landschaft. Ich möchte sie umarmen, diese Schärenbuckel: Rund, rotbraun und grau, ein wenig von Moos bewachsen und warm vom Tag.

Log 12.8.

Heute hat es mir die ersten braunen Blätter vom Schleusenrand ins Cockpit geweht. Dazu passen ein bedeckter Himmel, jagende Wolken bei starkem Wind und, immer wenn man endlich das Ölzeug wieder abgelegt hat, ein kräftiger Regenschauer. Nach Crewwechsel (C. aus Zürich)und der Abfahrt aus Vänersborg sind wir in den nach Göteborg und in die Ostsee führenden Trollhättankanal eingefahren. Er ist größer, technischer, nüchterner, viel weniger charmant als die Antiquität Götakanal. Dafür ist im Vergleich der Vorgang des Schleusens ein leichtes Spiel. In den riesigen Schleusenkammern ist viel Platz, es gibt keine Strudel, keine Strömung. Im Prinzip genügt es, sich Hand über Hand an den in die Schleusenwand eingelassenen Eisenleitern herunterzuhangeln, wenn man sich nicht scheut, glibberig-grüne Arbeitshände dabei zu bekommen. Aufpassen heißt es lediglich an Bord der ranken CROSSODIL: Wenn die gesamte Mannschaft auf der dem Ufer zugewandten Rumpfseite steht, kratzt die Toplaterne schon mal hoch droben an der Schleusenwand. Gefahren lauern allüberall in der Seefahrt! Dass mit C. ein erfahrener Seemann an Bord kommen würde, hatte ich vorher schon gewusst, registriere es aber beim aktuellen Bootshandling in der Schleuse, am Tankstellensteg, beim An- und Ablegen mit Befriedigung. Er weiß, was zu tun ist. Kein Stress trotz starken Windes.

Wir erreichen Trollhättan, einen kleinen Stadthafen, der eigentlich zum Verweilen einlädt, aber es ist uns noch zu früh zum Anlegen. Nach Trollhättan folgt eine Monsterschleusentreppe mit 4 Kammern bis 12 Meter Hub bzw. Abstieg. Die Kammern sind im Vergleich zu Göta riesig. Entsprechend drängeln auch große Transportschiffe auf dem engen Weg zwischen den Kammern entgegen. Bei einem merke ich nicht, dass es sich "in Fahrt" befindet und sich langsam vorwärts bewegt. Gedankenlos halte ich drauf zu. Ein Däne auf einer mit uns fahrenden Yacht pfeift auf den Fingern und winkt mir warnend zu: "Nach links, du Depp!" lässt er mich durch die international üblichen Gesten wissen.

Nach der großen Trollhättanschleuse dieseln wir etwa 15 SM Kanalstrecke westwärts gegen 6 Bft. Wind an, es ist mühsam. Gegen 19 Uhr kommen wir in einem Ort am Fluss mit dem trügerisch schönen Namen "Lille Eden" an. Ein Gasthafen ist in der Karte eingezeichnet. Die Wirklichkeit ist trostlos. Kraftwerk, Schleuse, Industriegebäude, alles in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Der "Gasthafen" ist aus unerfindlichen Gründen durch eine blaue Plastikstrippe abgesperrt. Kein Boot zu sehen. Weiter, weiter, der Schwede vom Nachbarboot sagt, es gäbe einen weiteren Hafen "only 5 miles away". Nach der Schleuse am Behelfssteg korrigiert der Schleusenwärter, der nächste Hafen sei "very far away". Also bleiben wir besser. Es wird bald dunkel. Die Trostlosigkeit lichtet sich erst etwas, als es in der Kajüte nach Zwiebeldunst riecht, und sie ist fast weg nach einem Anlegerbier, dem Essen und dem täglichen Roten-gib-uns-heute.
Es herrscht eine relativ starke Strömung im Fluss, große Fische springen, an jeder Ecke sitzt eine mehr oder weniger abgerissen aussehende Gestalt und angelt. C. will morgen in Göteborg selber eine Angel kaufen.

Log 13.8.

Montag morgen. Wir schippern weiter den Trollhättankanal hinunter. C. steuert, ich sitze auf dem Vorschiff und betreibe Nagelpflege. Eine ganz nette, unaufregende, nach dem, was die letzten Wochen war, ehrlich gesagt, fast langweilige Landschaft zieht vorbei.

Die letzte Nacht habe ich wieder tief und fest und voller Genuss geschlafen. Am Morgen fand ich C. auf dem Steg dösend vor. Zuerst hatten ihn in der Nacht an- und ablegende Schiffe geweckt und wach gehalten (eins soll "…riesengroß…!" gewesen sein), ab etwa halb sechs hätte ich dann mit einem nicht zu unterbrechenden Schnarchkonzert begonnen. Daraufhin sei er auf den Steg ausgewandert.

Der Hauptvorteil der Kanalfahrerei ist der Schutz vor Sturm und Welle. Ein paar Schweizer Touristen, selber mit dem Segelboot auf der Ostsee unterwegs und auf Landausflug, hatten uns an der Schleusentreppe in T. angesprochen ("…dös ischt dochhch dös Bot, dös in dära dütsche Yachchtzeeitschrift beschribbe wore isch, sell kenn i gli!"): Draußen auf der Ostsee habe es Windstärke 7 und bis 3 Meter Welle. Mir graut.

Approaching Göteborg

Approaching Göteborg

Approaching Göteborg

Abb. 1, 2, 3: Approaching Göteborg


Göteborg: Mehr und mehr Industrieanlagen am Ufer, teilweise halbverfallen, einige einfach am Steg abgesoffene Schiffswracks, dann Großschiffe, Lokalfähren, Hebebrücken, ein Viermaster am Kai, Hochhäuser, pulsierende Großstadt. Nach dem Großsegler links rein in den Stadthafen "Lilla Bommen". Legen neben "B." an, die wir kurz vor Göteborg wiedergetroffen haben. Wir werden an Bord zu Kaffee und Gebäck eingeladen, Gespräch übers Segeln und über gemeinsame Augsburger Bekannte.

Nachbars Schiff

Abb. 4: Nachbars Schiff


C. wirkt eher still bis einsilbig, ich hoffe, die Dusche tut ihm gut, ich will nicht, dass "es" schon wieder losgeht. Frühzeitig ansprechen.
"Es" geht dann leider schon bald los. Missmutig trottet mein Kompagnon neben mir zum Großeinkauf. Ich trage Rucksack, Einkaufstüte, Einkaufszettel und Verantwortung. Im Supermarkt weiter Teilnahmslosigkeit, allenfalls abweisende Kommentare zu Menüvorschlägen sind C. zu entlocken. Auf erstes Befragen kommt: "Ich bin müde, ich bin hungrig". Ich auch, mein Freund. Und ich sag Dir jetzt eins, ohne Wertung oder Schuldzuweisung: Diesen stummen Kampf, dieses sinnlose schweigende Gegeneinander kennen wir beide von früheren Gelegenheiten und eigentlich sollten wir uns beide zu schade sein für diese anstrengende Art, eine schöne Reise zu ruinieren.
Egal, was unsere persönlichen Psychiater zur Schuldfrage sagen würden: Ich will diesen Zustand nicht und wenn Du nicht versuchst freundlich zu schauen und an allen Aspekten der Schiffsführung teilzunehmen, fahre ich alleine weiter. Dies ist weder ein Chartertörn noch eine kommerzielle Überführung. Dies ist mein Boot und Du bist Gast an Bord.
Nun, vorläufig wirkt es, obwohl ich nicht mehr besonders optimistisch bin. Beim Abendessen haben wir dann eine erträgliche Atmosphäre hinbekommen. On verra.

Log 14.8.

Abfahrt aus "Lille Bommen" im strömenden Regen, dazu Dunst, Wind. Geisterhaft die Industriehafenlandschaft bei diesen Verhältnissen. Bis zum offenen Wasser haben wir 2 SM Motorstrecke. Eine 36 Ft. Najad überholt uns, ebenfalls unter Maschine. Die Mannschaft verbirgt sich unter der Sprayhood oder unter Deck, der Autopilot steuert, eine ziemlich andere Art des Reisens, als auf unserem kleinen Fahrzeug. Von der verglasten Brücke eines Tankers mustern uns zwei Ferngläser. Die Männer dahinter winken freundlich und denken wahrscheinlich irgendetwas Mitleidiges oder Abfälliges und nehmen einen weiteren Schluck aus der Kaffeetasse.

Das Navigieren gestaltet sich auf den ersten SM eher etwas zäh, da meine, jetzt immerhin Monate erprobte Vorgehensweise und die Vorstellungen meines Ersten Offiziers sich teilweise gravierend unterscheiden. Rasch herrscht dann auch wieder angespannte Atmosphäre an Bord. Mir gefällt nicht, wie er Dinge holt oder ablegt, sie mir praktisch vor die Füße wirft. "Da, friss, geholt hab ich's jetzt". Diese aggressive Ungeduld, ich kenne sie auch von mir selber und damit sehr gut und leiden kann ich sie überhaupt nicht, nicht bei mir und nicht bei anderen. Als er wieder besonders kurz angebunden antwortet, lege ich ihm von hinten die Hand auf die Schulter. "Ruhig, C., ganz entspannt". Wirkt. Vorläufig.

Das Schärenfahrwasser ist weit, wegen des Dunstes haben wir wenig Sicht, der Regen hat aufgehört. Der Wind weht mit etwa 3 Bft. aus Süd, es reicht eben gerade für einen Am-Wind-Anliegerkurs. Vom Meer kommt eine relativ hohe und lange Welle herein. Noch letzte Nacht muss es ganz schön geblasen haben, da draußen.
Vor uns segelt die Najad von heute morgen. Bei diesem schwachen Wind machen wir deutlich mehr Fahrt. Nach kurzer Zeit sind wir vorbei und einen Augenblick später nehmen die das Vorsegel weg und motoren davon.
Feine Sportler.
Weiter gleiten wir durch die im Dunst unwirklich und fast mystisch wirkende Schärenlandschaft. Die Schärenbuckel der West-Schären unterscheiden sich in einem wesentlichen Merkmal von ihren Brüdern und Schwestern an der Ostküste: Sie sind kahl. Kein Bewuchs. Höchstens ab und zu eine gedrungene, sich in irgend eine Felsnische kauernde Kiefer. Was beim ersten Anblick erst mal ernüchternd bis deprimierend wirkt, bekommt mit zunehmender Gewöhnung einen ganz besonderen Reiz. Mondlandschaft. Die Faszination dessen, was andere süchtig nach Wüstenlandschaften werden lässt. Nichts Überflüssiges. Nur Wasser, Felsen, das Schiff und die Mannschaft.

Nach 28 SM erreichen wir die Bucht von Båt-Fjorden, Bua-Hamn. Von einem idyllischen Fischerhafen zu sprechen wäre glatt gelogen: Der Hafen selbst ist eine nüchterne, vor allem von der Berufsfischerei genutzte Anlage. Von dem dem Hafen gegenüberliegenden Ende der Bucht grüsst ein großes Atomkraftwerk mit eigenem Anleger und einer Ansteuerungsbefeuerung, die dem Frankfurter Flughafen zur Ehre gereichen würde.
Trotzdem ist es irgendwie schön. Die Pantry offeriert Reis mit Pilzen in Sahnesauce, bestäubt von einer Prise Curry, Salat, sizilianischen Weißwein, der nicht nur "nicht schlecht" schmeckt.
Beim Zubereiten des Abendessens muss ich C. noch mal wegen seines Kurz-Angebunden-Seins ansprechen. Und siehe, er kann, wenn er will, oder muss. Hört auch mal meine belanglosen Bemerkungen über die Welt an, lächelt, kuckt interessiert, wenn sein Gegenüber redet.
Es wird alles wieder gut.

Log 15.8.

Widriges Wetter ist immer eine willkommene Entschuldigung, um entweder länger in der Koje zu bleiben oder aber das Herrschaftsfrühstück auszudehnen. Heute liefert Nebel die Rechtfertigung. Zum Frühstück erhalten wir Besuch von Kerstin Wiedemann, Mannschaft auf "B.", 10 Jahre alt, Tochter des Skippers, schlau, ein bisschen altklug. Wir sprechen über: Skifahren in Davos, Segeln, Italien, Papa, Seesterne, die Geschwister.

Nachbars Tochter

Abb. 5: Nachbars Tochter


Gegen elf laufen wir aus. SW-Wind, zunächst 3 Bft., Sicht ca. eine halbe Seemeile, diesig. Immer noch kräftige Nordströmung mit geschätzt 1-2 Knoten. Daraufhin Kurs 275° anvisiert bei rechtweisendem Kurs 285°. 30 SM offenes Meer liegen vor uns, Raumschots bei niedriger Welle. Als ich gerade beschließe, den Blister wieder mal rauszuholen, legt der Wind zu auf gute 4 Bft., Fahrt kommt ins Schiff, meist 6-7, kurze Zeit 8 Knoten. Die Sicht wird schlechter. Der Dunst wird zu Nebel und bald sieht man nur noch 200 Meter weit. Und das vor der Überquerung des Hauptfahrwassers für die Grossschiffahrt aus dem Öresund. Einen Dampfer sehen wir noch als Schatten aus dem Nebel schräg voraus auftauchen und weichen mit einer Wende aus. Dann hilft nur noch hören. Wobei "Hören" den Vorgang nur unvollständig beschreibt. Als erstes Zeichen der Annäherung "spürt" man ein tiefes Brummen aus dem Nebel heraus. Ein Brummen, das sich deutlich unterscheidet von dem Brummen, das der sizilianische Weißwein von gestern abend hinterlassen hat.
Immer wieder klagt im Minutenabstand ein Nebelhorn, mal von hinten, mal von vorn, immer aber in, wie wir uns gegenseitig versichern, "beruhigendem" Abstand. Derjenige, welcher gerade nicht steuert und eigentlich "Freiwache" hätte, hält Ausguck, dabei malerisch am Vorstag oder am Want balancierend, wie einst Buster Keaton auf dem berühmten Foto. Das Ausgucksritual bzw. der Horchposten auf dem Vorschiff sorgt eher für unser gutes seemännisches Gewissen als für echte Sicherheit. Denn sehen werden wir einen sich nähernden Dampfer ohnehin erst dann, wenn nur noch eine Panikwende hilft.
Stille Konzentration herrscht auf dem Schiff, und das über Stunden. Sorgfältige Navigation mit Karte, Kompass und Log sowie stündliche Kontrolle mit dem GPS. Kontrolle wird auch von meinem Mitsegler ausgeübt, und zwar über meine Navigationsversuche. Als ich es schaffe, auch einmal von eigener ungeschickter Hand eine Position einzutragen, wird Kritik nicht etwa mit einer beginnenden Frage eingeleitet ("Kann es sein, dass Du vorhin...?), sondern mit einem Statement ("Du hast vorhin 1 SM zu weit südlich...).
Ich sag's ihm heute nicht schon wieder! Ich halte mein Kapitänsmaul und schweige und ergehe mich schwelgerisch in zukünftigen Missachtungsphantasien. Soll er in Zukunft mit seiner kurzen Art nerven, wen er will. Mir ist dieser Umgang jedenfalls zu maschinenhaft, selbst wenn ich zehn Seemeilen zu weit südlich mein Kreuzchen gemacht haben sollte: Wir sind kein U-Boot auf Feindfahrt sondern ein Lustboot vom Bodensee, 10 Seemeilen in jeder Richtung entfernt von jedem feststehenden Hindernis.

Als der Nebel sich gegen 16 Uhr lichtet, die Sonne rauskommt und das Land in Sicht kommt, schüttle ich das Joch der technischen Navigation und des Navigators ab und orientiere mich an Landmarken und der Karte, wie es unbegreiflicherweise seit Monaten ohne Katastrophe gut gegangen ist. Navi- bzw. Dik-tator reagiert säuerlich.
An der Nordostecke der Insel Läsö schlafft der Wind ab. Und noch liegen fast 10 SM Strecke vor uns und es ist schon halb sieben. Aber erstens ist der nächstliegende NO-Hafen im Hafenhandbuch als "trist" beschrieben (würde andererseits gut zum Zustand der Mannschaft passen), zweitens ist der NW-Hafen Vesterø günstiger für die Weiterfahrt, insbesondere, wenn das Wetter schlecht werden sollte.
So haben wir um die 60 Seemeilen auf dem Tages-Log, als wir mit dem letzten Licht in den leider brechend vollen Hafen von Vesterö einlaufen. Weit draußen bei den Arbeitsschiffen machen wir an einem Kopfsteg improvisiert fest.

Als ich meinen Kummer und den Druck, den ich den ganzen Tag schon verspüre, äußere, ernte ich wieder nur ein mürrisches Nicken und ein noch mürrischeres Schweigen. Im Hafen beim Anlegerbier, das ich in der Hoffnung auf die Macht des guten Rituals anbiete, will er übers Wetter reden. Ich hake ein, er sei mir noch eine Antwort auf meine Bemerkungen zur Gruppendynamik an Bord schuldig. Zweimal habe ich mich nun relativ heftig und deutlich geäußert und zweimal außer vorübergehender Freundlichkeit keine Antwort erhalten. Minutenlanges Schweigen. Schließlich erfahre ich, ich hätte ihn eingeschüchtert mit meiner Standpauke im Supermarkt in Göteborg. Er stammelt schließlich noch etwas von "wir Dänen sind halt direkt", belegt diese Behauptung damit, dass er düster murmelt, "andere Leute" hätten ihn vor dieser Reise mit mir "gewarnt", ohne aber dann auch Ross und Reiter zu nennen. C. besitzt dann den Takt, noch am gleichen Abend von Bord zu gehen bzw. ahnt wohl, dass ich ihn von Bord gebeten hätte nach der Feindseligkeit mit der Bemerkung über die ungenannten "Leute" und deren ominöse "Warnung" vor dem verrückten alten Kapitän.

In der Nacht schlafe ich schlecht und wache wiederholt auf mit der Befürchtung, C. könnte mit irgendwelchen Rachegelüsten zum Boot zurückkehren. Ich halte da einiges für möglich, da er andere Ventile wie Gespräch oder meinetwegen auch Gebrüll nicht genützt hat.

Log 16.8.

Was für ein Tag! Halten die Elemente an Einhandtagen besonderes für mich bereit oder erlebe ich alles nur voller und intensiver?
Nach einer schließlich doch noch ruhigen Nacht erwache ich lebend sowie bei Sonnenschein und leichtem, warmem Wind. Gegen Mittag habe ich endlich alles klar zum Auslaufen: This isle ain´t big enough for the both of us! Ein erster Schlag führt entlang der Nordküste von Läsö etwa 5 SM direkt nach Westen bei Halbwind mit 4-5 Beaufort. Ein Rausch, ein Traum. Vormittagssonne, grün und blau changierendes Flachwasser, kaum Welle und durchgehend über 7 Knoten am Wind. Die Markierungstonne an der Nordwestecke der Insel verfehle ich bei 2 Knoten Strom aus Süd um nur eine halbe Seemeile. Dann nach der Wende an der Markierungstonne folgt der lange Schlag:
Luftlinie 18 SM, etwa 200°, Kurs Heimat, hoch am Wind. Alles geht leicht und flott, die Sonne scheint, Kurzehosenwetter. Weil ich mich verköstigen will, versuche ich, das Schiff noch ein letztes Mal mit dem Pinnenrechen und den Bändseln auf Kurs zu halten und nach sorgfältigem Segeltrimm funktioniert es tatsächlich. Die Kiste bleibt am Wind, 5 Minuten, 10 Minuten. Autopilot. Was braucht der Einhandsegler mehr? Dass ich diesen Trick noch heute dringend brauchen würde, nicht nur zum Brotzeitmachen oder für Rauchpausen, ahne ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ringsum wieder Grossschiffahrt. Ich schaue versonnen den klobigen Radarreflektor im Achterstag an, der nur zufällig und deswegen noch da oben hängt und funktioniert, weil ich ihn aus seiner großen Höhe beim letzten Klarschiff einfach nicht runtergekriegt habe. Nach etwa 4 Stunden Sommer-Genuss-Segeln frischt es auf. Wie immer, erst 1 Reff, dann 2, dann wieder ausgerefft. Das Spiel ist bekannt. Im Zweifelsfall immerhin ein gutes Training. Von hinten kommen 2 so genannte "Segler". Sie können die Höhe nicht halten, sind offenbar durch das bisschen Welle gestört, machen den Motor an und ziehen vorbei, Liegeplätze ergattern im nächsten überfüllten Hafen.

Kurze Zeit später wird es diesig. Ich ziehe mein Sweatshirt an, welches ich dank Pinnenpilot ganz gemütlich unter Deck hole. Dann ziehen Wolken auf und der Wind frischt auf. Also wieder 1 Reff reingebunden, das kennen und können wir ja schon. Der Himmel wird dunkelgrau, dann steigt eine schwarze Wand aus Süden auf, wo der weiter zunehmende Wind herkommt.
Herrgottsakra! Von Gewittern war doch nicht die Rede beim Bericht der dänischen Wetterhellseher auf dem Computerausdruck im letzten Hafen. Aber es kommt. Schön langsam, so dass ich für alles Zeit habe. Ich ziehe das zweite Reff und bei 6 Bft. und Böen ist dann für vorsichtige Naturen wie mich auch Schluss mit der fürs Croco und starken Wind doch reichlich bemessenen Fock. Und jetzt danke ich dem Himmel für die Pinnenpilotenübung am Mittag. Mit der Lifeline stilecht angeklinkt turne ich auf das auf und ab tanzende Vorschiff und binde das Vorsegel an Bugkorb und Reelingsdraht fest.
Gerade noch rechtzeitig. Denn jetzt geht's erst los. 5 Minuten oder 10 oder weißgottwielang tobt es mit 8 Windstärken und vielleicht mehr von vorn. Wir machen kaum noch Fahrt, bleiben aber auf Kurs. Das Log zeigt 2 Knoten, dann 1,3, dann 0,5.
Was passiert, wenn der kritische Punkt unterschritten wird und die Kiste nicht mehr steuerbar ist und ausbricht? Keine Ahnung. Wahrscheinlich nichts Gutes. Mitten im Unwetter nehme ich mir vor, wegen dieser Frage eine e-mail an Marty zu schreiben. Irgendwann ist jeder Sturm vorbei, so auch dieser. Der Wind lässt nach, wir stampfen in der noch unverhältnismäßig hohen Restwelle, sogar die Sonne kommt raus und beleuchtet theatralisch die nach Norden abziehende Gewitterwand. Ich reffe aus, schlage das Vorsegel wieder an. Im vom Sonnenlicht ebenfalls angestrahlten Heckwasser spielt ein Tümmler. Ich grüße ihn und beschließe, ihn als gutes Omen zu deuten.
Die Einfahrt nach Hals ist monströs markiert: In der Peillinie ein Leuchtturm, auf dem Weg dorthin turmhohe Bojen links und rechts, dazwischen verwirrend viele Peilmarken. Rein geht es in die Einfahrt auf Halbwindkurs bei 5 Windstärken aus Süd. Links von mir kommt in ungewöhnlicher Langsamfahrt ein großes Arbeitsschiff entgegen. Rohre, Schläuche an Deck und außenbords, das Schiff ist schwarz und glänzt glibberig. Aha, Baggerarbeiten, denke ich mir angesichts der gesetzten und dank meiner Ausbildung an der Bodenseesegelschule Wallhausen für mich auch lesbaren Zeichen.
Dunkelgrauer Schlamm wird von irgendwoher hochgepumpt und ergießt sich breit übers Deck, bevor er noch breiter an der Bordwand herunter ins Meer trieft. Und das riecht, das stinkt! Und das 100 Meter von mir in Luv! Das arme Kroko muss voll durch die Soße. Jetzt nur nicht krängen, ja nicht schöpfen, nicht nach dem Glück, das ich den ganzen Tag gehabt habe!
Im Haupthafen von Hals ("…ein bei Fahrtenseglern auf dem Weg nach Norden beliebter Fischer- und Lotsenhafen…") haben alle "rechtzeitig" angekommenen Segelmotorer schon das letzte Plätzchen besetzt. Es wimmelt von Booten. Verzweifelte haben angefangen, Päckchen zu bilden. Wie die glotzen, auf ihren ergatterten Plätzen. Wollen teilnahmslos wirken, lässig vom Cockpitpolster aus die Neuankömmlinge betrachtend, platzen aber fast vor "ichhabsgeschafft".
Am Ufer spielt eine Band für die Urlauberschar, draußen vor dem Hafen demonstriert ein Marinehubschrauber Seenotrettung mit viel fliegender Gischt und Getöse. Zu viel, zu laut.
Ich fahre rüber in den durch ein schmales, mehrfach gewinkeltes Fahrwasser nicht ganz so komfortabel anzusteuernden Seglerhafen Egense gegenüber. Die Stege sind fast leer, eine sympathische alte Dame mit Kapitänsmütze, Matrosentop und kurzen Hosen kassiert das Hafengeld. Vor der Clubhütte des ansässigen Seglervereins sitzen drei ältere Herrschaften auf Klappmöbeln.

Log 17.8.

Traffic 1

Traffic 2

Traffic 3

Traffic 4

Abb.6: Traffic 1, Abb.7: Traffic 2, Abb.8: Traffic 3, Abb.9: Traffic 4


Ich schlafe lang und bin trotzdem wie durch den Wolf gedreht. Irgendwie war es wohl doch ein bisschen viel gestern, physisch wie psychisch. Weil es mir für einen Hafentag im einsamen Idyll von Egense doch ein wenig zu ruhig ist, verlege ich in den am Vortag noch vergeblich angesteuerten Hafen von Hals. Der Marinehubschrauber ist weg, die Band spielt nicht mehr, die Seglerkarawane ist weitergezogen und jeder zweite Liegeplatz ist frei.
Ich wähle, wie zuhause in Staad, einen exponierten Platz mit Blick über die Einfahrt und am frühen Nachmittag, nach Einkauf, Klarschiff und den üblichen Verrichtungen bringe ich die Luxuspolster im Cockpit aus und beobachte derart komfortabel aufgepfuhlt die in Scharen eintreffenden Neuankömmlinge. Ich versuche dabei teilnahmslos zu wirken und mir mein "ichhabsgeschafft" nur ja nicht anmerken zu lassen.
Abends erreicht mich die Antwort-mail von Marty:
"ola, mein bester. zu deineeer frage zu gaaanz viiel Wind und wenig speed im schiff": also: das schiff kann ausbrechen, wenn du ÜBERHAUPT keine fahrt mehr hast! aufpassen -immer "an der grenze" steuern mit wenig speed, dafür recht aufrecht. Hast du keine fahrt mehr, besteht die gefahr, dass der dampfer entweder ausversehen wendet, oder nach lee wechbricht. dann fällt der eimer abä ääsma um. Mit schoten fieren kommsu da nicht hinterher. also bitte griff nach luv an die reling oben...und warten, bis sich das schiff wieder nach luv aufrichtet.
offensichtlich bist du nicht umgefallen-heißt für mich, dass du das feeling für "das an der grenze steuern" schon entwickelt hast. beim nächsten mal genauso machen- nicht vergessen- vor dem sturm die rillo anzünden...
Schön gesagt, Meister! Das mit der durchgehenden Kleinschreibung wird ich mir für den nächsten Fahrtenbericht vormerken.

Log 18.8.

Kurse schön abgesteckt, Wegepunkte in den GPS programmiert, Entfernungen gemessen. Müsste zu schaffen sein. Bonnerup mit 30 SM allemal, vielleicht Grenaa, liegt zwar 40 SM entfernt, aber wir sind ja ein schnelles Team.
Wenn da der Wind nicht wäre. Grade ein Hauch, und dann wieder genau aus 150°, da wo wir hinwollen. Nach 2 Stunden kreuze ich immer noch im größeren Einfahrtsbereich von Hals. Die Sonne scheint, das Meer ist überwiegend spiegelglatt, nur an einzelnen Stellen, dort wo das bisschen Luftbewegung die Wasseroberfläche erreicht, zeigt sich ein leichtes Waschbrettmuster.
In unserer Kiellinie spielen 2 Tümmler. Es ist so still, dass ihr lustvoll prustendes Atemgeräusch deutlich zu hören ist. Über der Küste baut sich Quellbewölkung auf. Der dänische Wetterbericht auf dem Monitor beim Hafenmeisterbüro hatte 3-6m/s vorhergesagt, sowie ein paar mir unverständliche Worte angefügt. Wird wohl "Gewitter am Nachmittag" geheißen haben. Worauf ich nun wirklich nicht scharf bin. Mir steckt noch der Schreck von vorgestern in den Knochen und eigentlich fürchte ich mich heute vor Wind. Habe sicherheitshalber schon mal die Sturmfock vorne am Bugkorb angebändselt. Wie immer beim Flautensegeln. Irgendwann kommt der Wind. SSO, 3-4 Bft., Sonnenschein, mäßiger Amwindkurs, Seglerherz, was willst Du mehr? Und trotzdem kommt mich heute das Segeln wie eine zu absolvierende Aufgabe an. Bringen wir´s hinter uns, wir wollen ja weiter. Zweimal schlafe ich kurz ein, und das bei 30° Lage und 6 Knoten Fahrt. Das ist keine Undankbarkeit, aber auch Traumbedingungen werden anders bewertet bzw. gewürdigt, wenn man sie jeden Tag beschert bekommt.
In der zweiten Hälfte des Nachmittags kriege ich langsam wieder Spaß an der Segelei. Der Wind hat auf kräftige 4 zugelegt und die Kiste rauscht. Über Stunden hatte ich heute keinen stabilen Kurs, habe keine Ruhe ins Schiff gekriegt. Erst als ich die Pinne in Ruhe lasse und mit dem bewährten Bändsel fixiere, geht's besser als mit Skipper. Es gibt so Tage.

Am Spätnachmittag kommt "Abba" in Sicht. Eine rotweiße Ansteuerungstonne 7 SM vor Bonnerup. Mit ihrem Streifenkleid und der roten Bürste auf dem Kopf sieht sie aus wie eine wildgewordene Vogelscheuche. Ich habe sie "Abba" getauft, weil irgendein 4-Buchstaben-Kürzel brauche ich ja für den GPS. Außerdem hatten wir heute: Homo, Hete, Sado und Maso. Mit "Beta" und "Cami" (benannt nach meinen derzeitigen Lieblingszigarillos) wird's dann nichts mehr, weil ich auf Bonnerup zuhalte, immer zwischen die 4 bzw. 3 Windräder rein, die riesenhaft links und rechts auf der Außenmole stehen.
Beim Anleger zeige ich mich wieder etwas "ogschickt". Eine riesig lange und breite Box und Wind von der Seite lassen mich nur wenig sportiv aussehen und zum Glück warten auf dem Steg 2 hilfsbereite Hamburger Seefrauen, die dem ratlosen Einhandhelden mit Handreichung und Rat helfend beispringen. Einhandsegeln wäre so einfach, wenn die Anleger nicht wären. Herr Erdmann weiß schon, was er tut, wenn er nach dem Ablegen auf der Schlei gleich schnurstracks um die Welt segelt ohne wieder festzumachen, immerhin schon zum dritten Mal.

Für morgen sei Windstärke 6 angesagt, aus Ost, wieder mal daher, wo ich hin will. Aber ich hab ja Lesestoff dabei und der Strand soll nach dem örtlichen Fremdenverkehrsprospekt wieder mal einer der schönsten von weißgottwo sein.
Beim Essen im Restaurant: Am Tisch gegenüber sitzt das dänische Paar um die sechzig, das mir schon auf dem Steg auffiel. Beide im selben T-Shirt, landfein. Schwarz. Aufgedruckt auf der Brust in Glanzsilber drei oder vier Segelschiffe am Wind, dahinter Möwen, auch Silber, darüber als goldene Sonne das Goldmedaillon am Goldkettchen, das der Herr Kapitän um den Hals trägt.

Log 19.8.

Es ist schon hell, als ich von meiner vollen Blase geweckt werde. Ich fühle mich ausgeruht und denke, dass es kein Problem sein wird aufzustehen, wenn nachher um 7 der Wecker piept. Dann schau ich auf die Uhr: 8:45. Eigentlich eine anständige Zeit für Sonntag morgen, aber definitiv etwas spät für eine lange Tagesstrecke. Der Wind heult bereits im Rigg, das Schiff neigt sich in den Böen und jetzt komme ich nicht mehr in Versuchung, vor lauter Heimweh die für den Nachmittag angekündigten Gewitter auszuprobieren. Abgesehen davon, dass 8-13 m/s gegenan (Ost) ohnehin meinen derzeitigen Kampfgeist überfordern. Bonnerup ist zwar nicht gerade der Hafen, in dem man gern seinen Tag vertrödelt, aber ein wenig Bewegung an Land wird mir nicht schaden.
Dann erst mal Wäsche gewaschen (wer weiß, wie lang das noch geht), den Kahn damit zugehängt. Zu Mittag Banana-Pancake mit etwas Orangenmarmelade, Tee, Rillo. Langer (3 Stunden) Spaziergang an der Küste nach Osten, in Richtung der nächsten Etappe.
Heulender Sturm, fiese Welle, alles grau und weiß. Bin ich froh, dass ich verschlafen habe. Wunderschöne heideartige Vegetation auf trockenem Sand. Besonders schön die Passagen, wo ich das Meer nicht sehe und den Wind nicht spüre. Abends überarbeite ich eine medizinische Publikation, an der ich vor langer Zeit mitgewirkt habe und deren wieder mal letzte Fassung mir per e-mail zugegangen ist. Ich beschränke mich darauf, Rechtschreibfehler auszumerzen, vom Rest verstehe ich aus der zeitlichen und räumlichen Distanz eh nur noch die Hälfte.

Morgen wird wieder seglerisch am Weiterkommen "gearbeitet". Wenn ich mir Pausen wie heute gönne und zu harten Wind erspare, kann ich mein Vagabundenleben durchaus genießen. Draußen heult immer noch der Wind. Die Windkraftturbinen machen ein merkwürdiges, mahlendes Geräusch.

Log 20.8.

So jedenfalls komm ich nicht weiter. Ich muss irgendwie versuchen, zu meiner ursprünglichen, bewährten Reisephilosophie zurückzufinden. Sounsdoviele Seemeilen pro Tag oder eine phantasierte Anzahl Tage bis zu einem bestimmten Ziel dürfen nicht die alles entscheidende Rolle spielen. Sonst kommt zur beginnenden Erschöpfung ein gewaltiger Frust.
So wie heute: Halbwegs früh rausgekommen, Sonnenschein, mäßiger Wind aus Süd. Dadurch erstmal flotte Ausfahrt bis zum Kap, wo Kurs Süd für den Rest des Tages anliegen soll. Wie es beim Segeln so ist, ganz gegen den Wind geht's nicht, also kreuzen. Außerhalb des Landschutzes erwarten mich eine nicht unerhebliche Welle, dazu kräftigerer Wind, was mich zum ersten, dann wegen Stress zum zweiten Reff veranlasst.
Mitte des Nachmittags ist erst Grenaa erreicht, nach Direktkurs auf der Karte gerade mal 10 SM vom vorherigen Hafen entfernt, auf dem Log stehen aber schon 20. Also gut, noch ein Versuch, bis zum nächsten Kap, wenn dann der angekündigte Westdreher nicht kommt, fahr ich zurück nach Grenaa, immerhin liegen noch 30 SM Direktkurs vor mir. Es wäre, ehrlich gesagt, auch mit Wind von hinten nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen gewesen. Also Einkehr im Yachthafen Grenaa.
Bei kräftigem Wind von der Seite wird es wieder ein eher uneleganter Anleger. Ein junger Kerl vom Nachbarboot, Typ Sechziger-Jahre-Freak, hilft und es geht wenigstens ohne harten Stegkontakt ab. Dafür versaue ich mir mit einer fauligen Laufleine die Bordwand. Es sieht aus, als hätte ich mich an Deck erbrochen, wozu auch nicht viel fehlt.
Also, once again: Der Wind und der Zielkurs sind wie sie eben sind. Krampfen hilft nicht. Dann dauert´s eben noch mal 10 Tage. That´s sailing, oder?

Log 21.8.

"...wiat auch füa diech die Soonää wieda schaaiiiinähn, drum denk nicht dran, ich bin ja noochbaidia…" (aus: Mama, Heintje, ca. 1967).

Jetzt scheint sie wieder, die Sonne, und schon singt es, das Leben. Man (der Wind) braucht mich ja nur in Ruhe zu lassen, schon kann ich mich des Lebens (und des Segelns) "wieda froin".
Ein Tag wie im Spätsommer am Bodensee, nur mit Wind. Wind von der Sorte, die ich zur Zeit mag. Genug, um das Crocodil laufen zu lassen, schwach genug, um mir keine Angst zu machen und mir Zeit und Raum für Brotzeit und Rauchpause an Bord zu lassen. Nichts stupider und krampfiger als die Tage, an denen der Einhandsegler für 8 Stunden oder mehr ans Ruder gefesselt ist und bei jeder neuen Wolke oder Böe befürchten muss, "es" sei jetzt gleich soweit. Ich jedenfalls habe meinen Teil davon gehabt. Vielen Dank. Schamlos bekenne ich mich zu meiner neuen Vorliebe fürs Schönwettersegeln, mag man mich auch mit den "falschen" Leuten in der Segelei in einen Topf werfen.

Wieder hatte ich mir heute ein gutes Stück mehr vorgenommen, als in Freienlaune zu schaffen gewesen wäre. Und so bin ich nur 32 Straßenkilometer weiter(Schild am Hafen) in Ebeltoft gelandet. Habe dafür sogar einen "Umweg" in Kauf nehmen müssen. Und bin reich belohnt worden. "Die einzige nach Westen offene Stadt Dänemarks", hebt der Fremdenverkehrsprospekt ein wenig wichtigtuerisch hervor. Und was für eine Abendsonne über der Bucht. Und was für ein Restaurant im hübschen Yachthafen. Die "Profis" unter den Tourenseglern machen natürlich im Handelshafen nebenan fest. Grauslicher Ort. Dafür "echt".
Im Touristenrestaurant gibt es: Muschelsuppe, Lachs, Sößchen, Butterkartoffel in der Schale, Sylvaner aus dem Elsass.
Gott, ist das gut!

 Sundowner

Abb. 10: Sundowner


Tagsüber und unterwegs bin ich meinen Regattaaggressionen nachgegangen.
Musste nur eine 40Fuß X-Yacht vorbeiziehen lassen. Einen langen Kampf lieferte mir ein 34-Fuß-Toureneimer, der zu meiner Verunsicherung die gleiche Höhe halten konnte wie mein yachttestgepriesener Cruiser-Racer. Marty, wie kommt das? Sind das die Segel? Meine Ferienstimmung ist fürs erste wieder hergestellt. Bei dem Wetter soll die Heimreise dauern, solang sie will.
Im Segelhafen macht eine große X-Yacht einer bekannten deutschen Yachtschule fest. Laut und gleichzeitig klagend wie kommandierend tönt die Stimme des Lehrer-Skippers übers Wasser und die anderen 500 Boote im Hafen: "Ihr müsst jetzt...ihr dürft nie... nimm dir einen Bootshaken...jetzt noch hier eine Leine". Wenn die jungen Leute heute Nacht meutern und den alten, dicken und viel zu lauten Quälgeist über Bord werfen haben sie mein Einverständnis und ich habe nichts gehört oder gesehen. Früher hätte ich mich beinahe auch einmal bei dieser Segelschule angemeldet. Aber wenn das der Grundton ist! So kann das ja nix werden mit der Freude am Segeln.

Log 22.8.

Wieder werden es nicht viele Kilometer, oder Seemeilen. So um die 35 zeigt das Log an abends im Hafen der Insel Thunö irgendwo im südlichen Kattegatt. Es sollte wieder mal fast doppelt so weit gehen heute. Aber dann kam um drei diese Flaute, 1 Knoten Fahrt durchs Wasser, und wie nach einer halben Stunde die Landpeilung immer noch gleich stand, merkte ich, dass ich auf der Stelle stand im Gegenstrom zwischen Thunö und dem gegenüberliegenden Samsö. Mit Strömung hatte ich dann noch ein Erlebnis an diesem Tag. Auf halbem Weg zwischen der Ebeltoft-Bucht und Samsö trafen zwei Strömungen aufeinander. Ein merkwürdiges Wirbeln und Zerren am Ruder, Wellen, die nicht wissen, wohin, Seegrasfelder, die sich träge umkreisen, ein eigenartiger Ort und Zustand.
Im übrigen bot der Tag wieder reinstes Genusssegeln. Der Sommer hat sich noch einmal voll zurückgemeldet. An der Pinne wird überwiegend nur Sonnenbrille getragen, mehr wäre zu warm. Vielleicht kriegen wir das Fell ja doch noch durchgehend braun. Über Stunden fahren wir am Wind bei 3-4 Bft., die Welle ist nicht existent bis handbreit, zum Verrücktwerden schön. Den Tag über konnte ich wieder mit einer größeren Yacht regattieren, die zu meiner schlichten Freude aber auch gar keinen Stich machen konnte. Bei unter 3 Windstärken ist das größere und viel schwerer Schiff ohnehin chancenlos, darüber gleicht sich die Geschwindigkeit an, aber wir segeln, zumindest heute, mehr Höhe.

"Beengt, überfüllt, spärliches Sanitär" hat es über Thunö im Hafenhandbuch geheißen. War aber auch nicht voller als in anderen kleinen Häfen. Wir haben einen schönen Platz zwischen zwei Großen am Kai gefunden, Nachmittagssonne, und der Strand! Sand, klares Wasser, wie noch nicht gesehen auf meinen Ostseemeilen, Badetemperatur, Ferien. Zwei Schönheiten von einem der Schiffe im Gästehafen lassen die Badehandtücher fallen und werfen sich sonnenbraun nackt ins Wasser. Ein Bild wie aus den für nordische Strände werbenden FKK-Prospekten meiner feuchtheißen Jugendträume.
Das Wetter soll laut dem Stegnachbarn aus Flensburg noch bis zum Wochenende so bleiben, dann soll der Wind zulegen. Bis dahin hoffe ich, im kleinen Belt untergeschlüpft zu sein. "Kleingartenidylle" hat ein Segler unterwegs über den Belt gesagt, weil er so schönen Schutz bietet und als Kulisse für Geschichten von seemännischen Sturmheldentaten eher weniger taugt.

Log 23.8.

Die Strömungen verfolgen mich jetzt. Weil es von Thunö bis zum avisierten Etappenziel Juelsminde so prima gelaufen war (SO 4, bedeckt, viele Boote auf dem Treck nach Süden zum Regattieren), beschloss ich, gleich noch nach Bogense an der Nordküste von Fünen weiterzufahren, und dort, dass es ja auch gleich das nette Middelfart unter der Brücke über den Kleinen Belt sein könnte, an das ich seit der Tour vor 2 Jahren eine gute Erinnerung habe. Und dann kam wieder die Strömung: Etwa 5 SM östlich Fredericia, kräftiger Wind von achtern, 5 bis 6 Knoten Fahrt durchs Wasser.Weil Landmarken in ausreichender Nähe fehlten, wurde ich erst nach etwa 1 Stunde misstrauisch. Dann hätte ich nämlich in Fredericia sein sollen, und nicht immer noch geschätzte 4 SM auf See. Als alter Kanufahrer weiß ich: Wo Strömung ist, da sind auch Kehrwasser, und die sind am Ufer. Dieses war zwar 2 SM entfernt und eigentlich als "Schießgebiet" gekennzeichnet und damit für die Schifffahrt gesperrt, aber dies sind besondere Umstände, Euer Ehren. Groß war dann die Enttäuschung. Zwar fand ich im Uferbereich tatsächlich keine relevante Strömung mehr vor, dafür stellte unvermittelt mit der einsetzenden Dämmerung der Wind ab. Und nach über 40 SM (davon 5 auf der Stelle) war ich soweit, das zu tun , was ich sonst immer so verhöhne: Ich warf den Motor an. In knapp einer Stunde war ich dann im kleinen Seglerhafen Kongebrö und tat das, weswegen ich wieder herkommen wollte: Ich lehnte mich mit verschränkten Armen auf die Holzbalustrade des Stegs und schaute auf den Kleinen Belt, langsam strömend wie ein mächtiger Fluss, den Schiffsverkehr, die Eisenbahnbrücke (die unter den Zügen nach Kopenhagen alle paar Minuten schauerlichen Krach machte), die große Straßenbrücke mit den winzigen Autos darauf. Sogar für ein Bad im Belt reichte es noch. Bordküche kann ich zwar nicht mehr leiden, bin aber zu faul, noch in den Ort zu gehen. Ich speise dafür mit Blick auf das Nobelrestaurant im Hafen, wo Spesenritter fröhlich tafeln.
Noch 2 oder 3 Tagesetappen. Morgen entscheide ich, ob ich einen Ruhetag brauche.

Log 24.8.

In der Kunst des Müßiggangs geübt. Landschaft, Jahreszeit und Wetter machen es einem leicht. Beschaulicher Spaziergang durch alten Buchenwald entlang des Hochufers des kleinen Belt. An traumhaftem Weststrand Teile des Nachmittags mit Baden und Sonnenanbetung verbracht. Müßiggehen ist nicht leicht, aber mit etwas Selbstdisziplin geht es und es ist schön, wenn man es richtig anfängt. Ich kaufe ein, obwohl ich zum Kochen wieder eher keine Lust habe, allerdings auch nicht zum Gang ins Restaurant. Nur Bier trinken? Geht auch nicht. Werde die schwierige Entscheidung nach der Dusche treffen müssen.
Habe mich für Kochen entschieden. Und wohl getan! Mit "richtigem" Fleisch lässt sich Bordkost doch noch genießen (Rindersteaks in Dijon-Creme mariniert, Reis mit gedünsteter Paprika und Curry). Da ist mir aber auch ein Sößchen gelungen!

 Der Norden ist kalt und grau!

Abb. 11: Der Norden ist kalt und grau!


Vorurteile wollen gepflegt sein: Bavaria-Eigner sind alle gleich. Nach dem Motto "ich bin doch nicht blöd und zahle das gleiche für ein kleineres Schiff" kaufen sie viel zu große Eimer, mit denen sie ab und an doch ihre Schwierigkeiten haben. Die Boote strotzen vor Zubehör. Gegenüber zeigt das angeschaltete und beleuchtete Echolotdisplay dank Landstrom seit Stunden stoisch den genauen Anstieg des Ufers im Profil an. Gerade wird eine komplette Kuchenbude übergezogen, obwohl ein lauer Sommerabend ist und unter Deck der Platz einer kleinen Zweizimmerwohnung wartet.

Log 25.8.

48 Sm waren es von Middelfart nach Dyvig auf Als. Ich bin kaputt. Der Wind weht den ganzen Tag mit 4-5 Beaufort aus SSO, also heißt es wieder kreuzen. Und das gegen eine kräftige Welle. Irgendwie hab ich heute, zumindest während der Phasen mit stärkerem Wind keinen guten Trimm und Kurs hingekriegt. Ich neige bei böigem Wind mit Welle zum "Pumpen": Anluven in der Böe, zu hoch, abfallen, gleiches Spiel von vorn. Wie ein betrunkener Schwan.
Die großen Yachten auf gleichem Kurs haben mich alle bezüglich Speed und Höhe abgehängt. Und die Mannschaften sind dabei mit Tabletts voll Kaffee und Kuchen auf ihren Decks hin und her gegangen, während der einsame Reiter des Krokodils 8 Stunden hungrig und durstig auf der hohen Kante festgesetzt war.
Beim Einlaufen in die Dyvig-Bucht dann großer Schrecken: Ein Mastenwald. Aber zum Glück fast lauter Ankerlieger. Der große Seglertreck will kurz vor dem Heimathafen noch mal die große Freiheit an der Ankerleine spüren.
Stegplatz gefunden.
Außer Müdigkeit plagt mich leichte Melancholie. Heute ist der wahrscheinlich letzte "reguläre" Törnabend an Bord. Ich werde zum Abschluss doch noch einmal selbst kochen, einfach um des Anlasses willen. In Flensburg gehe ich dann die paar Tage eh nur noch ins Restaurant!

Spät abends: Auf dem Nachbarboot turnt einer der drei Jungs mit Kulturbeutel und Krimskrams beladen Richtung Bug und Steg. Ein leises "Plop", dann einige Sekunden Stille, dann der halb erstickte Schluchzer-Seufzer: "Mein Handy!".
"Schwimmt nicht", würde an dieser Stelle mein Freund Herbie sagen.

Log 26.8.

Die Segelreise ist fast zu Ende. Vor mir liegt noch das etwa 32 SM lange Stück Dyvig-Sonderborg-Flensburg.
Was gibt's zu erzählen? Die Frage werde ich sicher oft gestellt bekommen in den nächsten Tagen. Vieles und fast nichts gleichzeitig, gemessen an der Länge des Törns. Ein Landreisender hätte in der gleichen Zeit sicherlich mehr erzählbare und erzählenswerte Abenteuer und Begebenheiten erlebt. Segeln hat diesbezüglich etwas Reduziertes. Daraus resultiert einerseits der große Wert für Entspannung und Erholung, insbesondere beim Tagessegeln direkt aus dem angespannten Alltag heraus. Daraus resultiert aber auch mein aktuelles Gefühl, dass es jetzt erst mal gut ist mit Segeln.
Aufstehen, Frühstück, Schiff klar, Route planen, Leinen los, Segeln, Segel runter, Festmachen, Schiff klar, Kochen, Essen, Schlafen, und wieder von vorn. Was soll jetzt noch kommen? Der ultimative Sturm, der mich und das Schiff schlussendlich überfordert? Nein danke, die Art Abenteuer suche ich nicht.

Am eindrücklichsten und damit erzählbarsten sind die "Abenteuer" im zwischenmenschlichen Bereich, die ich im Lauf der vielen Wochen an Bord erleben durfte. Beigetragen haben, wenn's denn zwischenmenschlich abenteuerlich wurde, immer auch meine Persönlichkeitsanteile im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Charakteren, die ich mir an Bord geholt hatte.
Heftig die Begegnung mit C., der einen sicherlich mit heftiger neurotischer Energie angefüllten Bereich in mir angestochen hat. Auch wenn er und ich geredet hätten, das wär wohl nichts mehr geworden.
Mit zweien gab es viel freundschaftliches Licht mit einer kleinen Portion Schatten jeweils am Schluss. Ich hoffe, dass sich die kleinen Schatten in der Erinnerung bei den anderen und bei mir weiter verflüchtigen und keinen dauerhaften "Geschmack" in unserer Freundschaft hinterlassen.
Zweimal war das Zusammenleben an Bord für mich völlig spannungsfrei und bereichernd. Ilona wie Peter waren angenehmste Begleiter, jeder auf seine Art. Nicht unwesentlich war dabei der Umstand, und das muss ich eingestehen, dass beide meine Spielzeugautorität als Kapitän auch nicht versuchsweise in Frage stellten.

Was ich jetzt wieder brauche, um nicht langzeitseglermäßig zu verflachen, sind Anregung und Herausforderung von anderer Art. Heimkehr, Wiederbegegnungen, berufliche Neuorientierung, Besuch bei meiner kranken Tante und wohl Abschied von ihr halten da genug für mich bereit.
Würde ich als Langfahrer aus dem Alltag aussteigen wollen? Eher nicht. Da wäre landgestütztes Halbselbstversorgertum geeigneter. Oder eben der Wechsel von Perioden der Erwerbsarbeit und denen des Müßiggangs, in welcher Art auch immer.

Der letzte Teil der Fahrt: Ein erstes Gewitter habe ich sicher am Steg abgewartet, in zwei weitere bin ich im Als-Sund hineingesegelt. Dabei zeigte sich unter uns segelnden Menschen wieder ein eigentümliches Herdenverhalten. Auf dem Treck zurück in die deutschen Häfen sind wir inzwischen sicher an die dreißig Boote. Und in der Herde lassen wir fast alle die Segel oben, als die Böen kommen, wir sind ja nicht allein, sind ja 29 andere da, die es hinlegen kann im Sturm. Das wird ausgesegelt!
Im zweiten Gewitter ist es dann umgekehrt: So schnell komme ich mit Segel bergen gar nicht hinterher, wie die anderen plötzlich die Lappen unten und den Motor an haben. Der kurze Gewittersturm war wie immer ein beeindruckendes Erlebnis: Wie plötzlich die wie verzuckert aussehenden "Stacheldrahtzäune" in paralleler Reihe vor dem Schiff auftauchen, wie plötzlich Steuerungs- und Segelverhalten so ganz "anders" werden bzw. verschwinden, wie das Gefühl aufkommt, die Situation wird unkontrolliert.
In der Sonderborg-Bucht erwartet uns eine hohe alte Welle fast ohne Wind. Das Croco macht das Beste draus. Ab Einfahrt in die Flensburger Außenförde dann Traumbedingungen: Ein bis 5 Bft. starker, warmer "Wüstenwind" aus Süd treibt das Schiff mit Maximalenergie voran. Keine Welle mehr. Das Log erreicht über 8 Knoten auf Halbwind. Ein 40 Fuß Cruiser-Racer neuerer Bauart arbeitet sich langsam heran und zieht ebenso langsam vorbei, der ganze übrige "Treck" bleibt hinten. Traumverhältnisse. Und ich "absolviere" die letzten Meilen bis zum Ausgangs- und Zielhafen Fahrensodde. Ein sicheres Zeichen, dass es nun "gut" ist und ich "sattgesegelt" bin.

Wenn Männer zuviel segeln...

Geschafft: Um 19:30 in Flensburg festgemacht, das Schiff zum vorerst letzten Mal aufklariert und Matjes mit Bratkartoffeln sowie Flens und zum Schluss ein Aquavit zu mir genommen. Ich bin froh und müde und ein wenig traurig zugleich. Jetzt soll die angekündigte nächste Westfront ruhig kommen. Ich werde höhnisch am Ufer stehen und in den Wind brüllen: "Ist das alles?".
In den nächsten Tagen stehen an: Schiffsputz, Werftgespräche, die Frage der Unterbringung des Croco. Dann nur noch Fahrkarte kaufen und heim zu meinen Lieben. Ich freu mich auf zu Hause und den Rest vom Spätsommer am Bodensee und Radeln und Küchengespräche mit Freunden und überhaupt.

Flensburg

Mit der Werft läuft es an, wie es vor drei Monaten aufgehört hat.
"Komm doch morgen mal in die Werkstatt, dann können wir alles besprechen". Von Marty selber habe ich noch nichts gesehen, fand ihn auch nicht im Büro heute morgen. Irgendwas ist komisch bei Cross. Irgendwas hat sich getan, es wird so ausweichend geantwortet, wenn ich nach konkreten Neuigkeiten, insbesondere in Bezug auf Marty frage.
Am nächsten Tag bekomme ich eine mail von Marty: "…ich hab´s nicht geschafft. Cross muss Insolvenz anmelden…." Ich bin vom Donner gerührt. Das tut mir leid. Für die Jungs, die Bootsbauerin, für Marty und die vielen nichtgebauten Cross-Yachten. Ich hätte es Euch wirklich gegönnt, dass Ihr "es schafft". Nicht nur wegen Eurer schönen Schiffe, sondern auch wegen der oft so guten Stimmung bei Euch.

No more Logs. Grosses Seglerehrenwort darauf. Wer von der verehrten Leserschaft bis hier durchgehalten hat und mir die eine oder andere kleine Testfrage beantworten kann ("…was gab es am 31.7.2001 an Bord der CROSSODIL zum Abendessen?") kriegt von mir ein Original Ruppaner nullfünf auf der Clubterrasse spendiert.

Herzlichst Euer Ernst Gut (S.d.O.), Konstanz im Mai 2003.

Ende des 16. und letzten Teils




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