Elbe 2004: 13.-19.9.2004, ein Herbsttörn mit Markus Schöner, Ernst Gut und "Kleine Brise"



Teil II: Farbe


15.9.2004
Sonnenschein. Wind nicht mehr als gestern, so 5 bis 6 Bft.. Warum nicht doch raus nach Neuwerk, ins Wattenmeer, die "richtige" Nordsee? Der Rutsch übers Watt soll 1 Stunde vor bis 1 Stunde nach Hochwasser möglich sein, also von etwa 14 bis 16 Uhr. Genau unsere Zeit. Also los. Erst noch bei Lidl etwas totenbleichen Käse und "Delikatesswurst" sowie "Grafschafter Stuten", eine Art regionales Rosinenbrot gebunkert und das Schiff klar gemacht.

Cuxhaven, tolle Schiffe...

Abb. 1: Cuxhaven, tolle Schiffe...

…schnelle Autos

Abb. 2:…schnelle Autos

Unsere Nachbarn, ebenfalls auf einem sehr alt aussehenden Jollenkreuzer reisend, machen Anstalten zum Aufbruch. Wo wir hin wollen. Ins Watt? Na, ich weiß nicht, meint der mit der abgeschnittenen Jeans und der Lederjacke. Ob wir wissen, dass gleich nach dem Landschutz hinter der Kugelbake die Welle "so 2 Meter hoch" steht? Dass ihr Freund, der "so fast jedes Wochenende" da draußen verbringt, nicht weiß, wie er seinen Kahn wieder reinbringen soll, nachdem er ihn in selbigem Neuwerk letzte Woche hat liegenlassen müssen? Dass man wegen der bei Sturm überspülten Hafenmauer die Nächte damit zubringt, die Boote davon abzuhalten, sich gegenseitig zu zerlegen? Und dass ja wohl für heute unverändert 9 Bft. in Böen angesagt sind? Keine Diskussion, sollte man meinen.

Diskutieren müssen wir sehr wohl. Langsam und schonend den geplanten Abenteuerhöhepunkt aufgeben. Das geht nicht so einfach. Dafür haben wir schon zuviel gemeinsam erlebt und überstanden, Markus und ich. Schließlich nicken wir uns zu. Kann man halt nicht erzwingen, vielleicht ein ander mal, oder?
Mit der offenen Nordsee im Rücken bleibt nur eine Fahrtroute: Zurück elbaufwärts. Mit zweifach gerefftem Groß und Genua 3 geht's wieder los. Und wie. Böen machen sich nicht so sehr durch Lage, sondern durch fühlbares und auf dem Log ablesbares Beschleunigen bemerkbar. Über 11 Knoten sind die Spitzengeschwindigkeiten des Nachmittags. Das Heckwasser gurgelt und schäumt, wie ich es bisher nur vom Cat-Segeln kannte. Und keinen Moment ein Gefühl der Unsicherheit.

…speed

Abb. 3:Speed

Gutes, phantastisches Schiff. Baujahr 1939. 64 Jahre Entwicklung im Bootsbau seither. Da wird man nachdenklich.

Brokdorf und Brunsbüttel ziehen vorbei. Wir beschließen das dritte, 20 SM stromaufwärts gelegene AKW anzusteuern. Es gibt nach dem Elbatlas dort ein Flüsschen mit einem Sportboothafen ein Stückchen im Hinterland. Tonne 101, bei 103 müssen wir rein. Aber was für ein Anblick. Das nicht gerade kleine Atomkraftwerk verschwindet optisch fast in einer endzeitlich wirkenden Industrielandschaft aus Schloten, Röhren, Kesseln. Waagrecht zieht verbrannt riechende Abluft aus Luv zu uns herüber. Nee, das geht nicht. Ist doch Urlaub.

Schräg gegenüber am Nordufer ist ein weiterer Wasserarm mit dem schönen Namen "Dwarsloch" eingezeichnet. Richtig heimelig klingt der etwa 1 km landeinwärts bezeichnete Hafen "Haseldorf". Soll laut Elbatlas über eine "Schlengelanlage" verfügen. Was zum Teufel ist eine Schlengelanlage?
Die Einfahrt ist links und rechts Schilfbewachsen. Durch Schilflandschaft geht es weiter. Dann weitet sich das Fahrwasser, links eine Art See, geradeaus der gesuchte Hafen. Haseldorf. Klein, schön anzusehen in der Spätnachmittagssonne. Die schmale Zufahrt ist mit Reisigbesen markiert. Oh, wie schön! Ein Rudel Optis tobt sich im frischen Wind aus, bewacht vom Hütehund im roten Schlauchboot. Wir haben den Wind im Rücken. Runter die Fock. Wir haben auch so genug Fahrt. Der Hütehund schießt auf uns zu. Kläfft, mit dem Megaphon. Ist aber ganz freundlich. Will helfen, nicht beißen. Da drüben könnt ihr liegen. Da ist noch ein Jollenkreuzer. Nein nicht in dieser Gasse, in der anderen. Da sind wir aber schon drin, in "dieser" Gasse, den kräftigen Wind im Rücken. Also gut, dann legt Euch da hin, beim Motorboot, oder besser da, da ist auch frei. Die Alte mit dem Megaphon macht mich wahnsinnig. Die Konzentration ist weg. Das leewärtige Ende de Hafenbeckens kommt bedrohlich schnell näher. Au weija. Motor runter. Verdammt, Benzinleitung anschließen. Choke, vielleicht hilft der Choke? Endlich knattert das kleine Untier am Heck und unendlich langsam kommt steuerbare Fahrt ins Schiff. Ich steuere und bemerke einen Vorteil modernen Bootsbaus: Drehen auf dem Teller können die neuen (Cross 25!) nun wirklich, dass einem schlecht werden könnte vom bloßen Zusehen. Drehen auf dem Teller ist mit dem Dreißiger nicht. Der Hütehund lässt nicht locker. Empfiehlt Platz um Platz. Ist ja auch jeder zweite frei. Ich entscheide mich. Mache einen schwungvollen Anfahrtsbogen nach Luv.

Da passiert Fehler 1: Ich steuere, Markus bedient den Motor. Steuermann und Mann am Gas sind nicht identisch und Korrekturwünsche von der Pinne erreichen den Mann am Gas zu spät. 4 Knoten Bootsgeschwindigkeit.
Fehler 2: Wir haben den achterlichen Wind vergessen. Dieser beschleunigt uns auf katastrophale 5 Knoten und mit dem Wendekreis des Dreißigers gibt es jetzt kein Halten und kein Ausweichen mehr. Viel zu schnell scheren wir in die Parkbucht ein.
Markus sitzt rittlings auf dem Bug, die angezogenen Beine in Abwehrstellung. Ich stolpere nach vorne, mittschiffs, backbord und umarme des linksseitigen Nachbarn Rehlingsstütze. Und schon steht die Kiste. Puh. Glück gehabt. Kein großartiger Auftritt, aber auch kein Bruch. Kaum ist alles halbwegs klar, fällt eine Böe ein und schnappt sich das schlecht eingerollte obere Drittel der Fock. Wildes Knattern, hilfloses Zerren, die ortsansässigen Segler fangen an zu kucken, runter damit.
Zwei Optis hängen im 8er Wind inzwischen im Schilf. Der Hütehund schleppt ein Masttop mit angelaschtem Fender nebst drei schwimmenden Kindern in den Hafen. Als das gesunkene Boot im Schlepp kurz einen Meter auftaucht, sieht man das Segelzeichen: Pirat.

Hütehund mit Piraten

Abb. 4: Hütehund mit Piraten

Unser Anleger ist im Hafen schon kein Thema mehr.
22:53: Schlafsack. Kuschlig warm. Das Plätschern am Heck wandert nach mittschiffs, hört dann ganz auf. Das Schiff schwankt, wiegt sich nicht mehr. Wenn Markus sich im Vorschiff umdreht, wackelt der Kahn, anstatt zu schwanken. Trocken gefallen. Um uns nur Schlick, wo heut Nachmittag noch Wasser war.

16.9.

Beim Frühstück besucht uns der Hafenmeister.
Ob wir gerade noch reingekommen sind? Den Sinn seiner Frage verstehen wir kurz später. Die Boote auf der anderen Seite des Stegs liegen schon wieder auf dem Trockenen. Der gestern gesunkene Pirat, von Helfern halb aus dem Wasser gezerrt, liegt hoch und trocken an Land. Jetzt aber los. Und keine Minute zu früh.
Markus zieht die Triathlon-Kampfkleidung an und springt ins nur noch knietiefe Wasser. Trotz aufgeholtem Schwert und Ruder schabt der Rumpf der kleinen Brise alle Augenblicke über Sand. Der Außenborder knattert mit Vollgas und bei jeder Grundberührung reicht der Schwung eben gerade, um in Fahrt zu bleiben. An einer Wasserstraßenkreuzung herrscht kurz Uneinigkeit, wo es denn nun lang geht zurück zum Elbfahrwasser. Es fallen die Worte "ich kenne meine Küste", gefolgt von einer abrupten Korrektur und einer höchst sportlichen Entschuldigung und endlich zeigt der Tiefenmesser wieder mehr als 2 Meter an.
Die ersten ein oder zwei Stunden reisen wir flott, wenngleich nicht mehr ganz so flott wie an den vorangegangenen Starkwindtagen mit der ablaufenden Resttide stromab. Linksufrig räkelt sich auf einer Sandbank ein Seehund. Beim Näher kommen entdecken wir, dass er seine ganze Familie dabei hat.
Nach etwa 2 Stunden kentert der Strom. Und jetzt lernen Markus und ich, warum es sich bei Normalwind unbedingt empfiehlt, mit dem und nicht gegen den Strom zu schwimmen. Bei Brokdorf kreuzen wir etwa 2 Stunden mit hoher seglerischer Anstrengung und immerhin 5 Knoten Fahrt, ohne auch nur 1 Meter seewärts zu gelangen. Wohl ein Dutzend Mal peilen wir nach der Wende den Atommeiler an ("diesmal kriegen wir Dich"), um jedes Mal an der gleichen Stelle mehrer hundert Meter stromauf (=tidenabwärts) anzukommen. Die Befreiung bringt erst die große Genua 1. Immer noch langsam, aber immerhin merkbar, machen wir Fahrt über Grund und lassen Brokdorf, Brunsbüttel und die Einfahrt in den Nordostseekanal achteraus.

Dr. Gut vor Brokdorf, Urlaub machend

Abb. 5: Dr. Gut vor Brokdorf, Urlaub machend.

Als wir letztere passieren, kommt dort gerade eine Rotte von 7 Marineschnellbooten heraus. In der Gruppe wirken die grauen fensterlosen Stahlungetüme dann doch irgendwie bedrohlich.
Die Elbmündung weitet sich zum Meer und mit 5 Knoten fahren wir der sinkenden Sonne entgegen. Wieder lagern Robben auf einer noch nicht überspülten Untiefe. Ich genieße unser letztes Jever aus der Backskiste (Markus hat tagsüber in den Beständen gewütet) und einen Zigarillo vor dem Mast.
Markus entwickelt Pläne, wie man in einem zweiten Anlauf doch noch nach Neuwerk gelangen könnte. Zentrum des Plans ist das Ausnützen des Morgenhochwassers gegen halb 5 Uhr. "Halb 4 Uhr Auslaufen müsste reichen". Ich gebe vor, zu überlegen und verkünde 10 Minuten später, dass ich in dieser Angelegenheit von meinem Vetorecht Gebrauch machen möchte.

17.9.

Warm duschen, Fischsuppe und Scholle Büsumer Art, dazu Friesenpils und zum Schluss Linie Aquavit. Danach 10 Stunden tiefen Bordschlaf. Das ist Urlaub. Von Neuwerk lassen wir uns beim Bordfrühstück vom gesprächigen Stegnachbarn (Holzschiff, weißer Bart) erzählen.
Kurz Proviant bunkern. Gas gibt´s wieder keines. Das kommt mir von früheren Fahrten bekannt vor. Dann Leinen los. Die große Genua ist noch von gestern drauf. Eigentlich zu groß für 4-5 aus Südwest, dann eben ohne Großsegel. Ich bin fast erleichtert, dass bei "normalen" Windstärken dieses Schiff auch fast "normale" Geschwindigkeit von aktuell 5 und 6 Knoten läuft. Halbtageweise 9 und 10 Knoten, das hatte am Montag und Dienstag eben mit 6 und 7 Bft. und raumem Kurs zu tun und nicht damit, dass alle anderen Boote eben nicht richtig konstruiert sind. Wir liefern uns Wettrennen mit 2 größeren Yachten, die wir mit Markus am Steuer und mir an meinem neuen Lieblingsplatz in der Kuhle vor dem Mast für uns entscheiden. Bei Brunsbüttel geht es höher ran an den Wind und jetzt muss, Wind und Welle hin oder her, das Vorsegel gewechselt werden. Markus erledigt dies und das Setzen des gerefften Groß wieder mit Bravour, während mir die niedere Tätigkeit des Pinnenfesthaltens zugedacht ist.

...Spieglein, Spieglein an der Wand...

Abb. 6: "...Spieglein, Spieglein an der Wand..."

...im ganzen Land

Abb. 7: "...im ganzen Land".

Als Fahrtziel haben wir uns die Mündung des Flusses Stör zwischen Brokdorf und Glückstadt vorgenommen. Wieder wird uns eine "Schlengelanlage" versprochen. Das Fahrwasser zweigt betonnt elbaufwärts links ab. An der großen Straßenbrücke über der Flussmündung geben wir, wie im Atlas empfohlen zwei lange, laute Töne von uns. Erst passiert nichts, dann nähert sich eine zweite Yacht und dann halten die Autos vor der Brücke und die Brücke geht auf. Drinnen erwartet uns eine andere Welt. Schilfbewachsene Ufer. Dahinter Schafe und Kühe auf dem Deich. Der Wind im Deichschutz nur noch mit halber Kraft. Nur mit dem Vorsegel gleiten wir in langsamer Fahrt flussaufwärts durch das, was ich für "Ostfriesland pur" halte. Ob dies die ländliche Gegend von Schleswig-Holstein sei, in der die vielen schönen Ostfriesenwitze spielen? Über Schleswig-Holsteiner macht niemand Witze, klärt mich der gebürtige Kieler auf.

Stör 1

Abb. 8: Stör 1

Stör 2

Abb. 9: Stör 2

Reetgedeckte Dächer hinter den Deichen, Silos, eine Seilfähre. Frieden. Wohltuend nach soviel Salzwasserstress. Nach knapp 10 Flusskilometern machen wir an der Schwimmbrücke der Segler-Vereinigung-Wilster fest. Außer der Brücke: (Fast) Nichts.
Ein überdachter Freisitz und im Vorraum der Herrentoilette ein Fahrrad. Für "kurze Ausflüge", heißt es im Schaukasten. Weil ein Grill da ist, reitet Markus los, Fleischbeute machen. Und kehrt mit 6 Grillwürsten zurück. Der Grillkamin kokelt, komfortable 12 Grad Außentemperatur, und das Seglerleben im schweren blauen Wollpullover ist schön.

18.9.

Unsere Tidenberechnungen (Hochwasser St. Pauli minus 1 Stunde 38 Minuten) ergeben für die Stör den absolut frühstücks- und urlaubsfreundlichen Wert von ca. 13 Uhr. Wenn wir für die 10 Flusskilometer bis zum Sperrwerk an der Elbmündung 2 Stunden ansetzen, reicht Abfahrt 11 Uhr.
"Ablegen vom Schlengel nur Bug stromauf" fordert ein Schild am Steg. Haben wir auch das verstanden. Angelegt hatten wir am Vortag vorschriftsmäßig gegen das auflaufende Resthochwasser. Nur, dass mit ablaufendem Wasser die Verhältnisse nun umgekehrt sind. Geht schon meint der Captain, meint auch der kajak- und strömungerfahrene Gast. Geht aber nicht, wie wir binnen Sekunden nach Leinen los merken. Nicht mal der kräftig und günstig vom Steg her wehende Südwest vermag uns vom Steg und vor allem von dem nächsten stromab festgemachten Motorsegler abzuhalten. Da hilft nur harter Körpereinsatz, dann regelkonformes Drehen des Schiffes und kontrolliertes Ablegen gegen den ablaufenden Strom.

Schlengelanlage

Abb. 10: Schlengelanlage

Abend am Schlengel

Abb. 11: Abend am Schlengel

Windrichtung und Flussverlauf zwingen zu sportlichem Kreuzen. Dicht holen, kurz mit der Kurbel nachsetzen, Kurbel weg, Luvschot bereitlegen, Klar, Re. Hinsetzen lohnt da kaum zwischen den 50 Meter voneinander entfernten Ufern. Es geht, und es macht Spaß. Die Temperaturen sind mit dem Samstagssonnenschein noch einmal auf angenehme Spätsommerwerte gestiegen und statt Ölzeug werden kurze Ärmel getragen. "Wie das wohl draußen auf der Elbe aussieht, wenn es hier im Deichschutz schon so bläst?" fragt sich Markus. Am Sperrwerk wissen wir es. Südwest 5 bis 6 und genau in dieser Himmelsrichtung liegen Hamburg und unser Zielhafen Wedel.
Für die Brückendurchfahrt hatten wir kurz und etwas lieblos die Fock weggerollt. Wie zur Strafe für unsere Schlamperei fährt der frische bis starke Wind in eine ungeschützte Falte im oberen Drittel des Segels und im Moment haben wir die schönste knatternde, krachende Windhose am Vorstag. Gegen Winddruck und nun gegen uns arbeitenden Elbstrom hat unser alter 5 PS Quirl keine Chance und die nass schimmernde Sandbank an Steuerbord kommt in zügiger Schräg-Seit-Rückwärtsfahrt rasch näher. "Auftrag lautet: Fockschot abknoten, Segel entknoten, das flatternde Inferno enttörnen, Schoten wieder einknoten" wird Markus sich selbst auf dem Vorschiff wohl jetzt vorbeten. Und setzt in bekannt und bewährt zuverlässiger Art Handgriff auf Handgriff, während ich auf meinem Hilfsarbeiterposten an der Pinne schon mal überlege, ob es Sinn macht, vor dem Sprung in den Schlick die schönen Bordschuhe auszuziehen. Das Knattern wird entspannter, Leeschot dicht, Kraft kommt ins Schiff und ich brauche meine Entscheidungsfindung nicht weiter voranzutreiben.
Ölzeug und (frischgebackener Familienvater!) Schwimmweste sind angesagt. Mit 2 Reffs im Groß und Genua 3 schicken wir die "Kleine Brise" ins 45 Kilometer Rennen mit der steigenden Tide Richtung Hamburg. Dem Tidenkalender folgend sind relativ viele Schiffe auf gleichem Kurs unterwegs. Wettfahrtfeeling kommt auf. Dufour, X 79, große Yachten mit viel zu großen Genuas, alle kommen sie dran. Es klingt prahlerisch und ist natürlich ein bisschen so gemeint, aber wir werden nur von den Überseefrachtern und Tankern überholt, die mit 12 und 15 Knoten ihre Bugnasen durchs Hauptfahrwasser pflügen.
Ein verspäteter Lunch besteht aus den Resten von Käse und Wurstzipfeln sowie größeren Mengen von Markus´ Lieblingsenergiespendern "Twix" (ehemals Raider).
Viel zu früh erreichen wir nach etwa 4 Stunden Wedel. 17 Uhr, beste Nachmittagscruisingzeit. Also weiter elbaufwärts Richtung St. Pauli. Zur linken taucht als erstes die berühmte Schiffsbegrüßungsanlage gleich hinter Wedel auf. Ein gerade auf gleicher Höhe fahrender Frachter aus Palermo löst auch prompt das Abspielen der operettenhaft schmissigen italienischen Hymne auf altmodischen Großlautsprechern aus. Auf den Stegen, an den Stränden, in den Ausflugsgaststätten herrscht samstäglicher Hochbetrieb. Links taucht Blankenese auf. Unnordisch verspielt und architektonisch bunt präsentieren sich Multimillionärs Traumimmobilien in Elbblicklage am Hang.
Gegenüber als landschaftsarchitektonischer und kühle, aufgeräumte Ruhe ausstrahlender Gegenpol die am Wochenende menschenleere Aluminiumwelt der Airbus Industries am Mühlenberger Loch. Die Landungsbrücken und Hamburg City sind schon zu erahnen, als wir beschließen, umzukehren. Und es ist doch immer das gleiche. Entspannt und cool mit dem Strom schwimmen kann jeder. Gegenan werden die 3 Kilometer bis Wedel zur Herausforderung. Ausreffen hilft nicht genug. 5 Knoten Fahrt gegen 5 Knoten Strom. Das sieht nicht gut aus von den Blankeneser Cafeterrassen aus. Markus sieht, was zu tun ist ("Der Auftrag lautet...") und stürzt sich in die Arbeit. Schleppt die wunderbar gerollte und verstaute Genua 1 an Deck, stopft die Genua 3 in die Kajüte und schon kommen wir wieder in die Gewinnzone. Als der kajakerfahrene Rudergänger dann noch seine Erfahrungen mit ufernahen Kehrwässern einbringt und sich zunehmend respektloser den Untiefentonnen am Ufer nähert, wird wieder richtig Fahrt aus unserem Unternehmen. Zur Rechten Heizkraftwerk Wedel, ein letzter Aufschiesser, Quälgeist an, rein in die Großmarina, und ein wunderbarer Wochentörn ist zu Ende. Klar Schiff, Süßwasser über die salzigen Kajütfenster, Plane drüber (eine echte Seltenheit im Norden und stilistisch nur für echte Holzschönheiten erlaubt).
Abends zeigt mir Markus ein Foto von der Kleinen Brise am Kran. Das gibt's doch nicht. Das ist nur über Wasser ein "alter Jollenkreuzer". Dort, wo bei anderen Schiffen vergleichbaren Alters ein großflächiges Blech vor Seitdrift schützt, ragt aus der Kleinen Brise ein unnatürlich langes, stilettartiges, den Namen "Schwert" ohne Abstrich verdienendes Etwas aus dem Rumpf. Wenn das die Yardstickexperten sehen!

...und das Mässsäährr sieht man nicht...

Abb. 12:...und das Mässsäährr sieht man nicht...

Pinnenpilot

Abb. 13: Pinnenpilot

Bye-bye-Brise!

Abb. 14: Bye-bye-Brise!





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