Logbuch der CROCO, geschrieben von Dr. Ernst Gut
Teil 2,
Log 24.Mai.:
Gut, ich bin da, angekommen, im Hafen Troense, Insel Tasinge, bei Svendborg. Teilweise wars leichter, teilweise hakeliger, als ich es mir vorgestellt hatte, allein mit dem Krokodil. Auslaufen aus Faborg und Ablaufen vor einem 4er Wind bei Sonnenschein war noch ganz easy. Trotz vorsichtigerweise eingebundenem Reff dänischen Opa mit etwa gleich großem Boot abgehängt, obwohl der es offenbar ernst meinte. Dann erste übende Versuche gegenan und, verdammt, das Großschotgeklunker ist ein einziges Ärgernis. Ja, ich habe die holende Part mittig geführt, wie mir Big Brother Marty aus der Ferne empfohlen hat. Trotzdem: Das Ding verwurstelt und vertörnt sich und beim Abfallen legt es mich erst mal flach, weil nicht einmal der volle Winddruck ausreicht, um die Großschot rauschen zu lassen. Sieht zwar profimäßig aus, mit sichtbaren Kugellagerkugeln und in Trendfarbe grau, handsigniert von Mr. Lewmar selber, aber irgendwie passen Crossodil und ich und dieser Teil der Schiffstechnik nicht zusammen. Further research is needed.
Dann, in der Einfahrt zum Svendborg-Sund, Wikingerschiff gesichtet. Lang, spitz, braunes Lateinersegel wird hochgezogen und entrollt, biertrinkende Schulklasse an Bord. Ich umfahre es mit einer Übungswende, denke, ich kann das auf dem Weiterweg mehrfach wiederholen, um mich am Anblick zu erfreuen, aber weit gefehlt. Der Museumskahn ist, einmal in Fahrt, nicht einzuholen, hängt mich sogar ab! Cruiser-Racer! Gibts offenbar seit tausend Jahren. Länge läuft.
Oder der Schullehrer an der Monsterpinne (sieht aus wie ein Schullehrer mit Bart und Nickelbrille und Wollmützchen, ist außerdem am hellen Nachmittag beim Segeln) kanns einfach viel besser als ich.
Doch das soll nicht mein Hauptproblem sein. Beunruhigend finde ich, daß ich die Pinne nicht wesentlich länger als 500 Millisekunden aus der Hand lassen kann. Fotoapparat aus der Kajüte holen? Vergiß es! Aufs Vorschiff wegen der Fock? Schau, wie Du zurecht kommst, Einhandsegler! Doch Autopiloten besorgen? Kann der die Schwimmbewegungen eines Krokodils überhaupt aussteuern?
Im Svendborg-Sund Verkehr und Beschilderung wie in Stadtmitte Konstanz. 5er-Wind von hinten, ein kurzer Blick in die wie alles vorausschauend bereitgelegte Karte und, wusch, streift mich etwas am ratlosen Hinterkopf. Das Geräusch, das ertönt, als das Großsegel auf der anderen Seite angekommen ist, erklärt, was passiert ist bzw. beinahe passiert wäre. Wieder mal Besserung gelobt.
Tronsö ist ein beliebter Hafen bei Urlaubsseglern: "Dort, wo Dänemark am schönsten ist". Putzige bis elegante dänische Häuser auf Ufergrundstücken, Wälder, parkartige Wiesen, und ein winzig enger Seglerhafen, wo die Profis schon seit Mittag um die besten Liegeplätze konkurrieren. Ich, kein Profi, entdecke trotzdem noch eine schlanke Lücke. Segel runter, Maschine vor, zurück, vor, und schon schwenke ich elegant ein in die Parkbucht. Und schwenke weiter. Und schwenke. So schnell kann ich nicht mal eine Leine belegen, wie ich jetzt alle vier belegen sollte. Hilfsbereite (auf dem Steg) und besorgte (auf dem Nachbarboot) Dänen verhindern das Schlimmste. Einer bringt mir die Verwendung eines Bootshakens nahe. Hatte ich bisher gedacht, daß der Bootshaken dafür da ist, daß sich Segelamateure an allem, was sie greifen können festhalten und entlanghangeln (was in meiner Vorstellung immer lächerlich unsportlich aussieht), so weiß ich jetzt, daß die eigentliche (und sinnvolle) Bestimmung des Bootshakens darin besteht, z. B. die Achterleine elegant auf den viel zu weiten Poller zu legen (anstatt sich mit mißlungenen Lassomanövern vor dem ganzen Hafen zu blamieren. Unglaublich, aber nach einiger Zeit ist alles wieder an seinem Platz, das Schiff sieht aufgeräumt aus und mindestens so sportlich und professionell wie die Nachbarn links und rechts. Die Nachbarn links: Rote Kuchenbude, rote Polster, rot die Zehennägel der Chefin, roter Zierstreifen auf dem Rumpf ("La voile"). Duft von Pfannkuchen und Kaffee weht herüber, Klangfetzen von Jazzgitarre, eben geht eine fabelhaft attraktive Wikingerin an Bord. Da sehnt man sich nach Gesellschaft (noch 1 Woche).
Bis dahin bleibt mir nur mein "Spindluder", das Markus aus der BILD rausgerissen und mir heimlich in die Schranktür geklebt hat (Spindluder Katie, woher hast Du die prallen Lippen?).
Inzwischen gibts auch bei mir Kaffee und meine seglerische Zuversicht kehrt, wie bei vielen am Steg, langsam zurück. Fazit des Tages: Ich habe ein tolles, aufregendes Spindluder, pardon Boot, erworben und werde sicher noch viel Spaß mit ihr/es/ihm haben. Bis dahin müssen noch ein paar Kleinigkeiten gelernt und geübt werden, ein paar technische Details sind zu lösen und, vor allem anderen, Mannschaft (besser noch Frauschaft) muß an Bord, wird sofort in den Gebrauch des Steuers eingewiesen, damit ich Hände und Füße frei habe für die wichtigen seglerischen Verrichtungen (Kamera aus der Kajüte holen). Wenn ich denke, daß ich als alter Bodensee-Folke-Segler das Crossodil ohne Motor haben wollte und von den Crossleuten nur mit Mühe von meiner Vorstellung abzubringen war! Ich wäre heute festgenommen worden, wenn ich versucht hätte, meinen verwinkelten Liegeplatz unter Segeln zu erreichen...
Flensburger in der Abendsonne. Am I a happy man? Yes I am!
P.S.: Paranoia: Heute morgen nach dem Frühstück Spülwasserkanister über Bord geleert. Zufällig zu Boot am Steg gegenüber geschaut. Dänen erlickt, der in meine Richtung heftig die Faust schüttelt und, als wär es nicht genug, noch den international anerkannten Stinkefinger zeigt. Meine erste Reaktion: Ich fühle mich zu Unrecht kritisiert. Versuche es auf die Entfernung mit einer Geste, die sagen soll: Komm, das ist doch wirklich nicht so schlimm. Ist doch nur ein bißchen Kaffeespülwasser, wirklich nichts im Vergleich mit dem, was die Ostsee sonst tagtäglich erdulden muß.
Dann die zweite Phase: Die blöde Sau. Soll doch rüber kommen. Notfalls verhau ich den Kerl. Soll einer klarkommen mit diesen Idioten mit ihrer noch idiotischeren Sprache. Und wüte noch ein Weilchen weiter in mich hinein, bis ich sehe, wie mein Stegnachbar sich gleichzeitig mit meinem gegnerischen Gegenüber zur Ausfahrt auf den Weg macht. Sportlich-derbe- freundschaftliche Geste vor der gemeinsamen Ausfahrt anstatt Schulmeisterung.
Mein Kanister und ich waren dem Wikinger so egal wie einem fremdes Spülwasser eben sein sollte. Paranoia.Eben.
Ende Teil 1, die Fortsetzung, Teil 3