Logbuch der CROCO, geschrieben von Dr. Ernst Gut
Teil 5,
Log 5.6.
Jetzt verdient der abendliche Eintrag endlich wieder den Titel "Log". Keine minütiöse Berichterstattung über abendliche Gelage, Besuche im Waschsalon oder Baufortschritte in der Werft. Nein, heute, 5.6., 12.30 MEZ sind wir losgezogen aus Flensburg. Mit halbwegs freundlichem Himmel (hat wenigstens mal nicht geregnet), Wind 4 von hinten (achtern, ermahnt mich Ilona) und Tatendurst. Rainer hatte mich durchschaut mit seinem Verdacht: Du willst gar nicht mehr weg. Du schraubst nachts unsere Einbauten wieder ab und reklamierst am nächsten Tag. Ein bisserl recht hat er schon, mit dem nichtwegwollen. Habe zum Schluß richtig gelebt/gewohnt in FL mit festen Gewohnheiten, Bekannten, beginnenden Freundschaften. Jetzt wirds Zeit!
Die Flensburger Förde mit ihrem Bestand an Verkehrszeichen eignet sich unvergleichlich gut für den ersten Unterricht in Seezeichen sowie deren Sinn und Bedeutung. Grün und spitz und ungeradzahlig ist rechts, verkünde ich im Bewusstseins des bei Ulla Müller/ Wallhausen erworbenen Sportschiffers See. "Aber warum jetzt links?", fragt Ilona. Weiß ich auch nicht. Muß ich mal in Wallhausen nachfragen.
Vor Kalkgrund, dort wo die Außenförde in die offene Ostsee übergeht,nur noch Wind 3 von schräg hinten (oh Seemannssprache auf den modernen Cruiser-Racern!), ideale Bedingungen, um einen ersten nicht kardanisch aufgehängten Espresso auf See zu brauen. Und wie der schmeckt! Mit Rillo und Junk-Gebäck, wie man es zuhause nicht anschaut, aber hier förmlich in sich reinfrißt.
Nach Leuchtturm Kalkgrund rechts rum, Kurs Südost, Ziel: Die Schleimündung. Der Wind meint es weiter gut: 4 von halbseits, dazu ein bißchen Sonne, da vergißt man doch glatt die 10 Grad Lufttemperatur und die Berichte der Freunde aus dem Süden über einfach nicht glaubhafte Sommerszenarien.
Nach 6 Stunden und 27 Seemeilen Leuchtturm und Mündung Schlei voraus. Wie schon 2 Jahre vorher mit dem Folkeboot erscheint mir die Szenerie wie aus einem Bild des amerikanischen Malers Hopper (malt vorwiegend einsame Großstadtnachtszenen oder beängstigend erstarrt bis gefroren wirkende Küstenbilder).
Wir sind mutig, wir sind sportlich, wir sind individuell, und statt in die Viersternmarina Maasholm (s.a. unter "Campingplatz") weiterzudampfen biegen wir gleich nach der Einfahrt rechts ab in den "Naturhafen Schleimündung".
4, 5 Boote im großen, wenig geschützten Hafen ("bei Ooostwind liegt man hier recht unruhig", sagt der "Hafenlotse"). Die Plätze sind jeweils so groß, daß wir nur mit indischen Seiltricks uns zwischen den Dalben einhängen können. Aber die Action lohnt sich.
Ich denke mir: Daß es sowas noch gibt! Das Heck nach Westen, der untergehenden, im Dunst roten Sonne entgegen. Stille (der Hafen wird vom Festland durch ein Vogelschutzgebiet abgetrennt, keine Autos!), nur unterbrochen vom unanständigen Geschrei der Möwen und ab und zu einem Kutter oder einer Yacht, die schleiaufwärts streben in zivilisiertere Gefilde.
Hier ist der Hund begraben. Eine Kneipe mit dem schönen Namen "Giftbude", und die hat dicht. Drinnen das letzte halb ausgetrunkene Bier auf dem Tisch, Tafeln mit der Speisekarte, auf der alles 26 Mark kostet: Butt mit Bratkartoffeln, Aal mit Bratkartoffeln, Scholle mit Bratkartoffeln. Aber heut gehts dem Wirt wohl nicht gut. Hat nicht mal das letzte Bier ganz geschafft.
Und das Crossodil? Ich lieb ihr immamea! Läuft, tänzelt, swingt. Nie wieder Dickschiff! Und die Windex, die heute zum dritten Mal montiert wurde, ist immer noch drauf! Nach dem Aufholen von Rainer in den Mast hatten wir nachdenklich palavert, ob ein aufrichtendes Moment von 650 Kilo an 1,60 Meter Kiel anstinken kann gegen 12 Meter fuffzig und Achtzigkilomann im Topp. Also ich weiß nicht. Nächstes Windex wird vom Riggermast aus gesetzt (dann aber gleich in Gold!).
Ende Teil 5, die Fortsetzung, Teil 6